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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Vorsicht. Meine liebe Schwester«, fuhr er fort, indem er sich an Madame Agnes wandte, die bereits ihre Habseligkeiten in ihren Reisekoffer verstaute. »Sei so gut und geh in die anschließende Kammer, oder wende wenigstens deine Augen ab. Ich bin gezwungen, diesen jungen Mann um unserer Sicherheit willen zu töten.«
    Sie schien erschrocken, kam jedoch zu mir, tätschelte mir beide Wangen und küßte mich auf die Stirn; in ihren Augen schimmerten zwei helle Tränen.
    »Es schmerzt mich, daß wir so auseinandergehen müssen, Michael«, sprach sie, »aber du mußt einsehen, daß mein Bruder weise spricht.«
    Über diese plötzliche Wendung der Dinge war ich so verblüfft, daß ich selbst jetzt nicht glauben konnte, sie meinten es ernst.
    »Herr!« stammelte ich. »Wollt Ihr mich wirklich kalten Blutes ermorden? Wenn Ihr das Jüngste Gericht und die Flammen der Hölle nicht fürchtet, so denkt wenigstens an die weltlichen und geistlichen Gerichte, die beide Euch zum Tod verurteilen werden.«
    Er dachte ein wenig nach, aber seine Schwester fiel eilig ein:
    »Ich könnte leicht mein Kleid wieder in Unordnung bringen, es sogar zerreißen, denn ich mag es ohnehin schon lange nicht mehr. Jedermann hörte dich an der Tür poltern und fluchen und wird sogleich denken, daß du den jungen Mann zum Schutz der Ehre deiner Schwester erschlugst, als er sie in einem Anfall von Trunkenheit zu schänden versuchte.«
    An diesen schamlosen Verrat konnte ich nicht glauben. Ich konnte nur flüstern: »Jesus Maria!« und sie ungläubig anstarren, als sähe ich sie zum erstenmal. Herrn Didriks pulvergeflecktes Gesicht schien mir nun lasterhaft und bösartig, und seine Schwester Agnes war weder so jung noch so verführerisch, wie ich mir eingebildet hatte, solange ich im Banne Satans stand. Ihr Haar war gefärbt und ihr Gesicht mit Augenbrauenschwärze und Lippenrot verschmiert. Die Männer und die Welt der Männer erschienen mir zum erstenmal in grellem Licht, und ich alterte in jener Stunde um viele Jahre. Aber wenn sie mich mit falscher Münze zu bezahlen gedachten, so konnte ich ihnen wenigstens mit falschem Wechselgeld dienen, nun da mir die Schuppen von den Augen gefallen waren.
    Daher goß ich mit zitternden Händen die letzten Tropfen Wein in mein Glas und sagte kühn: »Mein Herr und Madame! Ihr werdet mir gestatten, einen letzten Trunk auf all das Unrecht, die Bosheit und die Verräterei zu tun, in der Ihr mich so wohl unterwiesen habt. Um Euch zu beweisen, daß ich ein gelehriger Schüler gewesen bin, will ich gestehen, daß ich Euch nur mit Vorbehalt getraut habe. Auch denke ich nicht hoch von Madame Agnes’ Jungfräulichkeit und Ehre. Nur meine warme Neigung für sie verbietet mir, sie eine gemeine Hure zu schelten.«
    Madame Agnes erbleichte, und ihre braunen Augen begannen zu funkeln.
    »Zögere nicht, liebster Didrik!« rief sie aus. »Bring dieses schamlose Maul zum Schweigen, denn ich habe mich nie gescheut, Blut zu sehen, und jetzt würde es meine Liebe zu dir verdoppeln.«
    Aber Herr Didrik musterte mich nachdenklich und spielte gedankenverloren mit der Schneide seines Schwertes.
    »Laß den Jungen reden«, meinte er dann, »ich hab’ ihn noch selten so vernünftig gehört, und wenn er auch jung ist, so steigt er doch dadurch in meiner Achtung. Fahrt fort, Michael, Ihr müßt irgendwo einen Trumpf versteckt haben, sonst würdet Ihr eine so kühne Sprache nicht wagen.«
    »Herr, da Ihr mich zwingt, will ich offen sein. Für meinen eigenen Seelenfrieden und da ich Euren Beweggründen mißtraute, vertraute ich dem guten Pater Petrus von St. Olaf ein Pergament an, auf dem ich all Eure Taten fein säuberlich aufgezeichnet und die Namen derer angeführt habe, die auf König Christians Gesundheit tranken. Das Beichtsiegel verbietet Pater Petrus, den Brief zu öffnen, aber sollte mir etwas Übles widerfahren, so ist er ermächtigt, den Bischof lesen zu lassen, was ich geschrieben habe. Ich tat das nur, um meine Haut zu retten, wenn unsere Pläne fehlschlügen, doch seh’ ich nun, daß das Dokument dringender gebraucht werden kann, als ich dachte.«
    »Ist das wahr?« herrschte er mich an. Ich aber sah ihm furchtlos in die Augen und schwieg. Er beurteilte mich nach sich selbst und mußte mir daher wohl oder übel Glauben schenken. Seufzend stieß er sein Schwert wieder in die Scheide und lächelte sauer.
    »Ich hoffe, Ihr werde meinen kleinen Scherz vergeben, daß ich Eure Treue auf eine so harte Probe gestellt habe. Ich sehe

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