Michael, der Finne
guten Präzeptor gefunden hast und von ihm als Schüler angenommen bist, wirst du die Rechte und Vorteile der Universität genießen. Aber denke daran, daß viele diesen gefahrvollen Weg gegangen und nie zurückgekehrt sind. Und viele sind zurückgekehrt, gebrochen an Leib und Seele, nachdem sie sich mehr den sieben Todsünden als den sieben freien Künsten gewidmet hatten. Wenn du jedoch dein Bestes tust und ordnungsgemäß dein Bakkalaureat erwirbst, will ich ernsthaft erwägen, was ich für dich tun kann. Dein erstes Examen soll dein Prüfstein sein, an dem du beweisen kannst, daß du vom rechten Schlag bist.«
Mich quälte der Gedanke, was der gute Bischof und mein Lehrer Martin wohl sagen würden, wenn sie von meiner Arbeit für die jütische Sache erführen, denn ich zweifelte nicht, daß sie ihnen bald zu Ohren kommen würde. Nach dem schrecklichen Hangen und Bangen zu Tränen gerührt, stattete ich ihnen meinen bescheidenen und herzinnigen Dank ab, und der gute Meister Martinus weinte mit.
Bischof Arvid blieb selbst seiner Rührung kaum Herr und fuhr fort: »Beruf dich auf mich, armer Junge, wenn du deinen Weg voll Dornen findest oder Krankheit deine Kräfte aufzehrt, denn ich darf ohne Rühmen sagen, daß ich der bekannteste unter den finnischen Studenten der Universität Paris war, und ich zweifle nicht, daß dir mein Name beim ›Haupt des heiligen Johannes‹ oder dem ›Talar des Magisters‹ stets eine Mahlzeit oder ein Glas Wein eintragen wird, obwohl seit jenen Tagen an die zwanzig Jahre verflossen sind. Um dir aber mein Wohlwollen in greifbarerer Form zu beweisen, laß mich einen kleinen Beitrag zu deinem Fundus leisten.«
Mit diesen Worten tat er einen guten Griff in die wohlgespickte Börse und schenkte mir drei Lübecker Gulden, deren einer untergewichtig war. Auch Magister Martinus fühlte sich bewogen, mir drei Silberstücke zu geben. Und so geschah es, daß ich, der ich von Rechts wegen ins Gefängnis oder an den Schandpfahl gehört hätte, überall nur Güte erfuhr. Bittere Reue tilgte den letzten Rest meiner Überheblichkeit aus meinem Herzen, und ich ward von guten Vorsätzen durchdrungen.
In Jungfer Pirjos Hütte herrschte feierliches Schweigen, und der Tisch war mit so vielen erlesenen Speisen bedeckt, daß man die ganze Stadt hätte damit traktieren können. Sie hatte einen großen Sack mit Proviant aller Art gefüllt, packte in eine arg mitgenommene Truhe, die mir Meister Laurentius verehrt hatte, meine Kleider und reichliche Wäsche und legte mein zerlesenen Buch Ars moriendi obendrauf. Meister Laurentius saß in einer Ecke, die Ellbogen auf die Knie gestützt. Ich dankte ihm für sein Geschenk, obwohl ich bei dem Gedanken an die Dinge, die er darin von Pfarre zu Pfarre mitgeführt hatte, innerlich schauderte. Ich dachte, er sei wegen meiner Abreise so mürrisch, doch zeigte sich später, daß ihn andere Angelegenheiten beschäftigten.
Nach der Vesper kam Pater Petrus. Er hatte das Siegel des Priors entlehnt und mir im Namen des Klosters einen Geleitbrief an alle Niederlassungen der Dominikaner ausgestellt, so daß ich dort auf dem langen Wege nach Paris überall Abendbrot und Nachtlager erhalten könnte.
»Ich habe meinen eigenen Namen unter das Schreiben gesetzt«, bemerkte er, »daher ist es keine Fälschung, und ich glaube, daß niemand den Prior eines so abgelegenen kleinen Klosters kennt. Der Brief sollte dir viel Kosten ersparen, und du magst ihn in jedem geistlichen Haus vorweisen, gleich welchen Ordens, denn der Herr achtet nicht darauf, ob seine Lämmer schwarz, grau oder braun sind, und du selbst bist ja ein Laie.«
Von diesem kummervollen Abend ist wenig mehr zu vermelden. Wir weinten, und Jungfer Pirjo strich mir übers Haar. Sie hatte mir eine Arzneibüchse in die Truhe gepackt, eine schöne, rot und grün bemalte Büchse, die ihre stärksten Geheimmittel gegen Fieber, Schüttelfrost, Husten und zehrende Krankheiten aller Art enthielt. Bärenfett und Hasenfett waren nicht vergessen; auch kostbarer Theriak war dabei.
Von einem kleinen Horn, das mit einer stark riechenden Flüssigkeit gefüllt war, flüsterte sie mir zu: »Ich weiß nicht, ob ich damit recht oder unrecht tue, aber Männer sind Männer, und ich habe das Horn mit dem stärksten Liebestrank gefüllt, den ich kenne. Ein paar Tropfen davon, in Wein oder Milch aufgelöst, lassen die tugendhafteste Frau hinschmelzen.«
Nach vielen Ratschlägen und Ermahnungen schenkte sie mir fünf große Silberstücke und
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