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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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trug mir auf, sie in einem der angeseheneren Kaufhäuser Lübecks in Gold einzuwechseln; ich solle mich hüten, schadhafte Münzen anzunehmen, wofür die Geldwechsler berüchtigt seien.
    Ich schäme mich nicht, zu gestehen, daß mir angesichts der Güte, die mir ganz unverdient von jedermann zuteil wurde, gar jämmerlich zumute war. Zur Stunde des Nachtoffiziums waren wir noch immer wach und beteten; die Laudes fanden freilich Pater Petrus und Meister Laurentius auf Jungfer Pirjos Bett schlummernd vor, während Andy verschwunden war.
    Als das erste fahle Licht der Herbstdämmerung durch die grünen Glasfenster drang, waren wir reisefertig. Pater Petrus und Meister Laurentius schwankten gemeinsam mit meiner Truhe dem Hafen zu. Jungfer Pirjo trug mein Bündel, und ich nahm den Proviantsack. Im Osten rötete sich der Himmel, als sie mir unter vielen Segenswünschen ins Boot des Schiffes halfen. Von Bord sah ich sie immer noch winken. Ich sah den mächtigen Domturm über die niedrigen Häuser emporragen, sah die blaugrünen Kohlbeete und die langen Reihen der Hopfenstangen am Hügelhang. Das große Schiff glitt den Fluß hinunter, und als wir die düsteren Schloßmauern hinter uns hatten, betete ich und nahm Abschied von meinem früheren Leben, da ich einem ungewissen Schicksal entgegenging.

DRITTES BUCH
DIE UNIVERSITÄT
1
    Meine Reisegefährten hatten ihre eigene Kajüte auf einem Deck im hochragenden Heck des Schiffes, ich aber mußte sehen, wo ich blieb. Herr Didrik riet mir, mit dem Zahlmeister Freundschaft zu schließen, und dieser stiernackige Lübecker räumte mir eine Vorratskammer neben der Kombüse ein. So brauchte ich nicht mit den Matrosen auf dem Vorderdeck zu schlafen – selbst wenn ich unter ihnen Platz gehabt hätte. Mir war es gleich, wo ich lag; denn nachdem wir das Inselmeer erreicht hatten und auf glatten, grünen Wogen dahinglitten, blies mir die frische Meeresbrise alle düsteren Gedanken hinweg, und ich fühlte, wie sich mein Herz freudig und mutig weitete.
    Groß war jedoch mein Schrecken, als ich meinen Freund Andy Karlsson aus einem der zahllosen Winkel des Schiffes hervorkriechen sah; er kratzte sich das verfilzte Haar und sah sich verblüfft um.
    »Jesus, Maria!« rief ich. »Was tust du denn hier? Hast du dich an Bord geschlichen, um dich auszuschlafen? Rasch, spring über Bord und schwimme an die Küste, solange wir uns noch inmitten der Inseln befinden.«
    Doch er versetzte: »Ich bin rechtmäßig an Bord gegangen, um mir die Überfahrt als Bootsmannsmaat zu verdienen. Ich dankte meinem Meister, daß er mich das Wenige, was er von seinem ehrbaren Handwerk verstand, gelehrt hatte, und gab ihm mein Wort, ihm seine Mühe zu lohnen. Ich habe auch die anderen Lehrlinge dem Schutz Gottes empfohlen – den sie bitter nötig haben – und ihnen verboten, mich in meiner Abwesenheit zu verleumden. Vielleicht hätte ich ihnen einen Abschiedstrunk vorsetzen sollen, doch es war schon spät, und Jungfer Pirjos Bier war mir in den Kopf gestiegen. Es ist an der Zeit, daß ich in die Welt gehe, um mich in dem allerwichtigsten Handwerk zu vervollkommnen. Deshalb verlasse ich mit dir mein Heimatland, und zwar ohne unziemliche Reue, denn dieses Land hatte für mich stets mehr Hunger als Brot und mehr harte Worte als trauliche Plätzchen am Herdfeuer.«
    »Andy, du Narr! Kehr sogleich um. Wenn du bescheiden genug bittest, mag es sein, daß man dir immer noch verzeiht.«
    Doch Andy erwiderte halsstarrig: »Ich will keine Kugel in die Brust. Meine Angelegenheiten nahmen eine schlimme Wendung, und der Wirt Zu den Drei Kronen ist vom Teufel geblendet worden. Er dürstet nach meinem Blut. Er hält hinter der Theke eine geladene Flinte und eine glimmende Lunte für mich bereit.«
    »Aber warum?« forschte ich verwundert. »Ich hielt dich für ihren besten Freund! Die Herrin des Hauses streichelte dir jedesmal die Wangen, wenn sie dich sah, und gab dir, was die Gäste nicht verzehrt hatten.«
    Andy maß mich ernst mit seinen ehrlichen grauen Augen und antwortete: »Michael, wenn dir dein Leben lieb ist, laß dir nie von einer Frau die Wangen streicheln, denn dabei kann nichts Gutes herauskommen. Ich wurde in aller Unschuld der Freund der Wirtin Zu den drei Kronen – besser gesagt, sie bewarb sich um meine Freundschaft, seit ich sie vor den Einbrechern errettet hatte. Und ich sah nichts Böses darin, bis sie mich, gleich der Frau des heiligen Potiphar, aufforderte, mit ihr schlafen zu gehen, als ihr Gatte gerade

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