Michael, der Finne
nun, warum Ihr so sorgfältig Notizen machtet – und selbst, wenn Ihr lügt, kann ich die Gefahr nicht auf mich nehmen, daß es vielleicht doch wahr sei.«
Aber Madame Agnes brach in bittere Tränen aus und sagte: »Er hat uns verraten, der unverschämte Junge. Und eben vorhin hätte er mich beinahe verführt. Ich hätte Euch einer solchen Bosheit nicht für fähig gehalten, Michael. Ich hielt Euch für einen braven, aufrichtigen Jungen und hätte mich gefreut, Euer reines, junges Herz in die Gärten des Paradieses zu führen. Zu spät erkenne ich nun, daß wir eine Schlange an unserem Busen genährt haben.«
Herr Didrik fauchte: »Deck deine Brüste zu und halt den Schnabel, du Dirne! Wir sind Michael großen Dank schuldig, und das Geringste, was wir für ihn tun können, ist, ihn sicher an Bord und aus dem Lande zu schaffen, bis zum Anbruch der neuen Zeit, da er mit Ehren und siegreich in seine Heimat zurückkehren kann. Wir wollen Freunde und Verbündete bleiben, Michael, denn Ihr werdet am Ende finden, daß dies auch Euch den meisten Gewinn bringen wird. Begnügt Euch jetzt mit ein paar Goldstücken, da meine Mittel zur Neige gehen, und ich werde Euch sicher nach dem Festland bringen, wo Ihr an irgendeiner Universität Eure Zeit abwarten könnt. Ich versprech’ Euch, mein Bestes zu tun, um König Christian zu überreden, Euch für Euer Studium auszustatten, da Ihr ihm zum Wohl seines Landes von großem Nutzen sein könnt.«
Das war mehr, als ich erwartete; ich hatte gehofft, bloß meine Haut zu retten. Mit einem Seitenblick auf sein Schwert, das mir lose in der Scheide zu sitzen schien, erwiderte ich: »Erhabenster Herr, ich will Euch ewig dankbar sein, wenn Ihr mir wirklich helfen wollt, meine liebsten Wünsche zu erfüllen. Laßt uns also, wie Ihr sagt, diese Kleinigkeit vergessen und den Staub der Stadt von den Füßen schütteln, solange noch Zeit ist.«
Er antwortete: »Im Hafen liegt ein Schiff aus Lübeck, auf dem ich schon für mich und meine Schwester Plätze genommen habe und das bei günstigem Wetter morgen auslaufen soll. Was ist natürlicher, als daß mein treuer Sekretär mich begleitet? Kommt in der Dämmerung zum Hafen hinab, und wir werden uns, so Gott will, an Bord treffen.«
Er sagte dies in einem so salbungsvollen Ton, daß ich Verdacht schöpfte und rasch einwarf: »Bei Eurer großen Güte, Herr, Ihr spracht von Gold. Gestattet mir, Euch zu gemahnen, daß Ihr es mir auf der Stelle aushändigt, denn es wäre bös um mich bestellt, solltet Ihr Euch verhindert finden und nicht erscheinen.«
Doch ich tat dem Mann unrecht, denn wenn er einmal einen Entschluß gefaßt hatte, hielt er daran fest. Es mußte ja in der Tat ihm ebensoviel daran liegen als mir, mich in guter Stimmung an Bord zu bringen. Er reichte mir ohne Einwände fünf päpstliche Dukaten, drei rheinische Gulden und dazu eine Anzahl Silbermünzen, so daß ich im Handumdrehen reicher als jemals zuvor in meinem Leben war. In gehobener Stimmung verließ ich die Taverne durch die Hintertür, und es gelang mir, unangefochten Jungfer Pirjos Hütte zu erreichen. Ich erklärte meiner Pflegemutter, daß Herr Didrik auf Grund seiner dringenden Geschäfte Abo sofort verlassen müsse, sich jedoch erbötig gemacht habe, mich ins Ausland mitzunehmen, so daß ich irgendeine Universität beziehen könnte. Ich wüßte noch nicht, ob ich mich nach Rostock, Prag oder selbst nach Paris wenden solle. Dies, so versicherte ich ihr, sei der größte Glücksfall, und bat sie, mich eilends für die Reise auszustatten. Sie versuchte nicht, mir meine Pläne auszureden, ja sie schien sogar ein wenig erleichtert, was mich überraschte, da ich nicht geglaubt hatte, sie wüßte von den Winkelzügen meines Herrn.
Um dem siegestrunkenen Pöbel auszuweichen, entlehnte ich ein Boot und ruderte den Fluß hinab zum Kloster, denn mich verlangte vor allem, Pater Petrus zu sehen und mich ihm anzuvertrauen. Ich wollte mein Vaterland nicht mit so schwarzer Seele verlassen.
Es war schon nach der Non, und Pater Petrus kam mir an der Klosterpforte entgegen. Er hatte sich gegürtet, um an den Freudenfeiern teilzunehmen, doch als er von meinem ernsten Anliegen hörte, führte er mich an den Hang hinan und hörte meine Beichte.
Während ich sprach, bekreuzigte er sich oft und bemerkte schließlich: »Ich hielt Herrn Didrik für einen guten Kerl, allein er scheint ein Schurke zu sein. Nichtsdestoweniger hat sich dank des Schutzes der Vorsehung alles zum Besten gewendet,
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