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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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sie düster. »Wenn Ihr wirklich so weit hergekommen seid, wie Ihr sagt, so wundert es mich keineswegs, daß Ihr mit zerschlagenem Kopf hier angekommen seid. Ein armer Sterblicher muß die Prüfungen, die Gott schickt, ertragen – und die Studenten sind weiß Gott nicht die Geringsten davon! Diese weit hergekommenen, blonden Burschen sind außen kalt und innen heiß, wie alle Bewohner kalter Länder, und müssen daher mehr Flüssigkeit an Bord nehmen als die Dunkelhäutigen. So viel Naturbetrachtung kann selbst ein einfacher Mensch im Quartier Latin lernen.«
    Ich war verletzt. »Gute Mutter«, sprach ich, »ich habe mich nur mit ehrbaren Absichten und um der Wissenschaft willen nach dieser Königin der Universitäten aufgemacht. Von nun an soll mein Trank Wasser und meine Speise verschimmeltes Brot sein, bis ich an der Schwelle zur hohen Wissenschaft stehe. Denn frei heraus, ich bin arm, wenn auch wohlerzogen und von angenehmer Gemütsart, ob Ihr’s nun glauben wollt oder nicht.«
    Darauf seufzte die Wirtin tief und verlor alles Interesse an mir. Sie gab uns zwar Nahrung und ein Bündel Stroh als Lagerstatt, doch im übrigen hätten wir ebensogut ein paar Ratten sein können, die dort ihr Unwesen trieben.
    Am nächsten Morgen wollte ich mich eilends aufmachen, um einen Präzeptor zu finden, da die Vakanz längst vorüber war und das Semester begonnen hatte, doch Andy hielt mich zurück mit den Worten: »Bruder Michael, der gute Gott hat zwar die Zeit, doch keineswegs die Eile erschaffen – das heißt, wenn wir die Predigten der Dominikaner richtig verstanden haben. Es schickte sich nicht, wenn du mit einem blauen Auge und verbundenem Kopf vor deinem gelehrten Professor erscheinen würdest, und er möchte gar leicht einen falschen Eindruck von deinem Charakter erhalten.«
    Ich hatte mich bei einem Geldwechsler auf der Brücke mit einer Handvoll Pariser Deniers versehen und merkte bald, daß das Leben in dieser unruhigen Stadt, verglichen mit den Verhältnissen meiner armen Heimatstadt, sehr teuer war. Blieb ich weiter in der Schenke wohnen, so würde ein Denier im Tage nicht einmal für eine armselige Mahlzeit und ein Bündel Stroh unter den anderen Gästen der Schlafkammer reichen. Ich versuchte, eine schwedische oder dänische Burse zu finden, doch hatte niemand von einer solchen Anstalt je gehört. Dänische Studenten hatte man schon seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen, und der Bettler erzählte mir, Dänen dürften seit der Gründung der Universität Kopenhagen nicht mehr im Ausland studieren. Dieser hochachtbare und weise Greis war der einzige, der mir in diesen ersten Tagen vernünftigen Rat erteilte. Er sprach fehlerlos Latein und war, wie er mir sagte, seinem Gewerbe an der Dombrücke seit mehr als fünfzig Jahren nachgegangen.
    Ein betrunkener Student ließ sich zu einem Gespräch mit mir herab, als ich ihm trotz meiner beschränkten Mittel Wein anbot, doch alles, was er tat, war, mich ein französisches Gedicht zu lehren, das in Scherzreimen viele Pariser Straßennamen aufzählte. Meine Kenntnis des Französischen war noch so gering, daß ich den Inhalt des Gedichts nicht voll erfaßte, doch lernte ich es ihm zu Gefallen auswendig. Es kostete mich einen Abend und zweieinhalb Deniers, und erst viel später entdeckte ich zu meiner Empörung, daß dieses Gedicht in seinen achtundvierzig Versen nur solche Straßen erwähnte, in denen Freudenhäuser standen.
    Aber diese meine ersten Ausflüge waren gleichsam das Schulgeld, das jeder neuangekommene junge Student zahlen muß.
    In den nächsten paar Tagen wanderte ich eifrig umher und erwarb mir einen gewissen Überblick über das Quartier Latin und die Universitätsgebäude sowie die vielen Kirchen und Klöster. Es gab an die sechstausend Studenten, doppelt soviel also, wie Abo Einwohner zählte. Die verschiedenen Nationen und einige fromme Stiftungen besaßen zusammen wenigstens dreißig Bursen, doch konnte darin nur ein Bruchteil der Studenten untergebracht werden, und es war vergebens, um Aufnahme darin anzusuchen, da das Semester am Vortag des Festes des heiligen Dionysius begonnen hatte und es nun beinahe Weihnachten geworden war.
    Nachdem sich meine Freude über unsere glückliche Ankunft etwas gelegt hatte, begann ich mir ernste Sorgen zu machen, daß ich immer noch an der alleruntersten Sprosse der Leiter stand. Glücklicherweise heilte meine Kopfwunde binnen wenigen Tagen, so daß ich den Verband abnehmen und mein Äußeres herausputzen konnte. Mein

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