Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
Vom Netzwerk:
Petrus, der mir schreibt.«
    Der Prior versetzte: »Obwohl Ihr an Eurem Land weder Freude noch Gutes erlebtet, mögt Ihr doch wenigstens seine Prüfungen teilen. Ich habe gehört, daß über die halsstarrigen Schweden das Interdikt ausgesprochen wurde und der Heilige Vater den guten König von Dänemark ermächtigt hat, dem Bann zu seiner Wirkung zu verhelfen. Es ist meine Pflicht, Euch zu erklären, daß Ihr als schwedischer Untertan unter diesen Bann fallt. Ihr dürft keine Kirche betreten, Ihr dürft das heilige Sakrament nicht empfangen. Eure bloße Anwesenheit entweiht schon das Gebäude und würde eine sehr kostspielige Neuweihe nach sich ziehen. Ich bin aber überzeugt, daß Ihr Euch Dispens erkaufen könnt, und rate Euch, dies so rasch wie möglich zu tun, denn es ist für einen Christen schrecklich, von den Sakramenten ausgeschlossen zu sein.«
    »Jesus Maria!« rief ich voll Schrecken und Bestürzung aus: »Ich habe kein Geld! Ja, ich bin so arm, daß ich mich gern erkühnt hätte, von Euch noch eine Schüssel Suppe zu erbetteln, denn ich habe heute nichts gegessen.«
    Er fühlte mit mir und sprach nach langem Nachdenken: »Michael de Finlandia, ich weiß nichts, was gegen Euch spräche, oder wenigstens nicht mehr als gegen jeden anderen Studenten, obgleich ich höre, daß Ihr Griechisch studiert, was einen üblen Beigeschmack von Ketzerei an sich hat. Ich will nicht hart sein gegen Euch, doch Ihr müßt rasch fort von hier und dürft nicht zurückkehren, um das Kloster nicht zu entweihen. In meinen Augen ist der einzige Ausweg für Euch, demütig um den Sieg des guten Königs Christian über die Feinde der Kirche zu beten – wenn nämlich Gott die Gebete derer, die unter dem Interdikt stehen, erhört.«
4
    Der Winter ging zu Ende, und die unbarmherzige Kälte und der schleichende Hunger erhöhten mein Elend und meine Verzweiflung. Doch hatte ich mich seit dem vorigen Winter geändert und war nicht mehr gewillt, mich meinem Schicksal so ergeben zu unterwerfen. Es gab Zeiten, da ich Julien d’Avril trotz seines falschen Spieles vermißte, denn die Laune jenes fröhlichen Galgenvogels war mir oft wie ein frischer Wind durch die Seele gefahren, wenn das Mitleid mit mir selbst allzu schwer drückte. Rebellische Gedanken und wilde Zweifel begannen in meinem Herzen aufzukeimen wie geiles Unkraut, das bald alle nützlichen Pflanzen erstickt, und sie hätten keinen besseren Boden finden können als Hunger, Kälte und Einsamkeit. Ich fing an, meine Studien zu vernachlässigen, und suchte allzuoft Vergessen in Trinkgelagen mit fröhlichen Kumpanen. Bisher hatte ich mich mit dem Rausch des Lernens begnügt, nun aber war mein Blick geschärft, und ich sah sowohl die verschwenderische Herrlichkeit als auch das düstere Elend der Stadt. Der Pfad des Wissens war lang, und die Hindernisse am Wege waren unüberwindlich für einen armen Mann, dessen einziger Lohn Tränen und ein früh gebeugter Rücken waren. Die Reichen hingegen konnten leicht die Bischofswürde um ihre Einkünfte kaufen und der Papst seinen fünfzehnjährigen Lieblingssohn zum Kardinal ernennen.
    Als der Frühling kam, als es taute und die Straßen aufgeweicht waren, zwangen mich der Hunger und die Nachwirkungen eines Trinkgelages, mitten in der Woche von Andy Hilfe zu holen. Sein Meister hatte ihn nach der Eskapade des vergangenen Sommers wieder in Dienst genommen, weil Andy ein geschickter Handwerker war und auch weil er seine Gesellen bestochen hatte, ihm beizustehen und für ihn einzutreten. Ich trottete den ganzen Weg bis Saint-Clud und wurde beim Meister zu Tisch geladen. Während die anderen nach dem Mahl ein Schläfchen hielten, begleitete mich Andy ein Stück heimwärts, bis wir unvermerkt Paris erreicht hatten. Da entschloß sich Andy, nicht an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Die Sonne schien hell nach einem bewölkten Morgen, die Felder wurden grün, und die schwarzen Linden hatten begonnen, sich in einen blassen Nebel zu hüllen. Das Eis an unseren fernen baltischen Küsten war noch nicht aufgebrochen, doch plagte uns beide das Heimweh gar grausam.
    Es war beinahe dunkel, als wir die Stadt erreichten; auf der Straße stießen wir auf einen Wagen, der ein Rad verloren hatte. Ein Kutscher mit stumpfem Gesicht versuchte vergeblich, das Rad wieder an seinen Platz zu bringen, und neben dem Wagen stand eine verschleierte Frau, schön gekleidet und in Pelze gehüllt; sie schien sehr erregt zu sein.
    Sie sprach uns an mit den Worten: »Um Gottes

Weitere Kostenlose Bücher