Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
Vom Netzwerk:
ja, Michael, Ihr sollt Euren Lohn haben; aber Ihr hättet eine bessere Zeit wählen können, ihn einzufordern. Mich schmerzt mein ganzer Körper, und an die bloße Berührung eines Mannes kann ich nur mit Widerwillen denken. Verschont mich jetzt, und Ihr sollt für Eure Mühe und Eure Mäßigung belohnt werden.«
    Damit stieß sie mich mit beiden Händen von sich und zwang mich zur Entsagung.
    Am nächsten Tag nahm mich Meister Hieronymus auf eine langgeplante Reise nach Chartres mit. Er hatte beabsichtigt, seine Gattin mitzunehmen, damit sie vor dem wundertätigen Bilde der Heiligen Jungfrau bete, da ihre Ehe kinderlos war; doch sie war noch müde und bat ihren Gemahl, ihr die Strapazen der Reise zu ersparen.
    Irdische Gelüste können einen Menschen so vollkommen verblenden, daß ich von dem wunderbaren Dom zu Chartres nur mehr weiß, daß seine großen Türme voneinander ganz verschieden sind und einen denkwürdigen und ehrfurchtgebietenden Anblick gewähren. Der Rauch zahlloser Kerzen hatte die wundertätige Madonna so geschwärzt, daß sie einem Mohren glich, allein ich konnte vor ihr nicht mit der schuldigen Andachtsglut beten. Meine Gedanken kreisten stets um die Schönheit Madame Genevièves, nach der mein Verlangen durch die Abwesenheit nur brennender wurde. Am Abend des dritten Tages kehrten wir, hungrig und durstig, nach einem scharfen Ritt nach Paris zurück. Andy erwartete uns mit niedergeschlagener Miene vor dem Haus.
    Er trat heran und sprach: »Meister Hieronymus, mein guter Herr, ein großes Unglück hat Euer Haus heimgesucht, und ich muß wirklich ein schlechter Diener sein, daß ich Euren Besitz nicht besser bewachte. Madame Genevièves kostbarstes Samtkleid ist während Eurer Abwesenheit verschwunden.«
    Der Reliquienhändler las aus Andys Miene, daß noch Schlimmeres geschehen war, und schickte sich an, ins Haus zu treten. Aber Andy hielt ihn zurück und sagte: »Das ist nicht alles. Madame Geneviève steckte darin.«
    So schonend teilte Andy seinem Herrn das Vorgefallene mit. Dann erzählte er ihm, daß die Dame alle ihre Kleider und ihren Schmuck mitgenommen habe und das Tafelsilber dazu.
    »Mit meinen eigenen Händen trug ich die Truhe voll Gold aus dem Keller zum Wagen, der sie abholte«, fuhr er gelassen fort, »Sie war so schwer, daß zwei gewöhnliche Männer sie kaum von der Stelle gerückt hätten; aber meine gute Herrin vertraute auf meine Kraft, und ich wollte ihr nach besten Kräften dienen, wie ihr mich geheißen habt.«
    Meister Hieronymus verstummte vor Schreck und brachte kein Wort hervor.
    Andy fügte hinzu: »Die Kellertür hielt fest, denn Ihr hattet vergessen, meiner Herrin die Schlüssel zu geben, aber ich entlieh einen Schmiedehammer und konnte mit großer Anstrengung Schloß und Angeln zertrümmern. Ihr habt mich geheißen, meiner Herrin stets so zu gehorchen wie Euch selbst.«
    Nun erst erfaßte ich das ganze Ausmaß des Unheils. Tränen stiegen mir in die Augen, und ich rief: »Lieber Meister Hieronymus, Euer falsches, treuloses Weib hat uns betrogen und unser Vertrauen mißbraucht. Möge der liebe Gott einen Donnerkeil vom Himmel schleudern, um ihr verräterisches Haupt zu zerschmettern, und mögen die Köter ihren buhlerischen Leib zerfleischen!«
    Auch Meister Hieronymus weinte bittere Tränen, doch er sprach: »Nicht so, nicht so. Gottes gerechte Strafe für meine Blindheit ist über mich gekommen.«
    Er raufte sich den Bart, schleuderte seine Mütze zu Boden, ergriff seinen Stab und bearbeitete damit Andy, der sich der wohlverdienten Züchtigung kleinlaut unterzog.
    Als der Händler aber müde war, ließ er den Stock sinken und sagte in tiefster Niedergeschlagenheit: »Schläge und Tränen nützen wenig, und du kannst nichts dafür, da du ein einfältiger Junge bist und ich in meiner Torheit dich hieß, meinem Weibe zu gehorchen.«
    Unsicheren Schrittes trat er ins Haus; es griff mir ans Herz, seinen gebeugten Rücken zu sehen. Mehr tat ich mir aber selbst leid, denn Madame Geneviève hatte ihr Versprechen gebrochen, und ich wußte, ich würde sie nie wiedersehen.
    Daher goß ich die Schale meines Zornes über Andy aus, der ruhig erwiderte: »Madame Geneviève ist eine schöne, launenhafte Frau, und es ist schwer für einen gewöhnlichen Diener, ihr nicht zu Willen zu sein. Das solltest du besser wissen als ich, denn ihre Berufung auf dich war es ja, die meine Bedenken überwand. Sie sagte mir, du unterstütztest ihren Plan aus der großen Liebe heraus, die du zu ihr

Weitere Kostenlose Bücher