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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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empfändest. Sie meinte, sie habe dir ihr Glück zu verdanken und wolle dir zahlen, was sie dir schulde, wann immer du es fordern wolltest. Aber da ich noch immer zögerte, gewährte sie mir eine kleine Abschlagszahlung – und muß sagen, sie ist eine freigebige Frau, die ihre Schulden mit Zinsen abstattet!«
    »Andy«, rief ich und wollte meinen Ohren nicht trauen. »Warst du so vermessen, deine Augen zu Madame Geneviève zu erheben und ihrer in deinem Herzen zu begehren?«
    »Dergleichen wäre mir nie in den Sinn gekommen«, versetzte Andy ernsthaft, »aber als ich sah, wie gut du begonnen hattest, hielt ich es nur für recht, wenigstens einen Teil deiner Forderungen einzutreiben, damit nicht das Ganze verlorengehe.«
    Die Vorstellung, daß Andy in ihren Armen gelegen hatte, erfüllte mich mit so blinder Wut, daß ich ihn mit beiden Fäusten zu traktieren begann und ihm alle Schimpfworte, die mir einfallen wollten, an den Kopf warf. Er ließ mich gewähren, bis mein Zorn verraucht war, und entrang mir dann das Geheimnis von Jungfer Pirjos Liebestrank.
    Als ich ihm alles erzählt hatte, sah er mich mit seinen treuherzigen Augen an und fragte: »Warum reichtest du ihr nicht das Mittel im geheimen, wenn dein Herz wirklich so an ihr hing? Du hättest sie für dich gewinnen können, und die neuntausend Goldstücke obendrein.«
    Mir fiel es wie Schuppen von den Augen, und ich konnte nicht begreifen, wie ich so einfältig hatte sein können. Andy wollte ich dies aber nicht eingestehen und antwortete daher: »Ich widerstand der Versuchung um meiner unsterblichen Seele willen. Hätte ich sie durch Zauberkraft für mich gewonnen, so hätte ich mich in die Fallstricke des Teufels verwickelt.«
    »Saure Trauben«, erwiderte Andy. »Ich für meinen Teil möchte gerne viele solcher Fallstricke auf meinem Pfad finden, wenngleich ich gestehe, daß es schwierig sein kann, sich daraus wieder zu befreien, wenn man einmal tüchtig darein verwickelt ist.«
    Wir wagten beide nicht, Meister Hieronymus aufzusuchen. Wir ließen ihn mit seinem Gram allein, denn wir hatten ihn in seiner Kammer weinen, seufzen und beten gehört.
    Zwei Tage darauf rief er uns zu sich und sprach: »Ich hoffe, daß ihr über alles Vorgefallene reinen Mund halten werdet. Ich bin ein alter Mann, und mein großer Irrtum war die Hoffnung, an einer zu jungen Frau eine liebevolle Gefährtin zu gewinnen. Laßt mich versuchen, das Vergangene zu vergessen. Ihr werdet mich verstehen, daß ich keinen von euch jemals wiedersehen will, da euer bloßer Anblick mit beständig an meine Gemahlin erinnern muß. Glaubt nicht, ich schickte euch im Zorn fort und trüge euch etwas nach. Ich verzeihe im Gegenteil von ganzem Herzen jeden Schmerz, den ihr mir zugefügt haben mögt, und gebe jedem von euch fünf Goldstücke, um euer Schweigen zu erkaufen.«
    In seinen rotgeränderten Augen standen bei diesen Worten die Tränen; er zählte uns das Geld auf die Hand, glättete mit zitternden Händen seinen Bart und entließ uns. In seinem Schmerz war er klüger und edler, als er in den Tagen seines trügerischen Glückes gewesen war, und ich schlich wie ein Hund aus seinem Haus, reuevoll und schuldbewußt. Doch tröstete ich mich bei dem Gedanken, daß ihm ein Unglücksfall dieser Art früher oder später auch ohne mein Zutun hätte widerfahren müssen und der Schmerz Arznei für seine Seele war, da er ihn Demut und Weisheit lehrte.
    Wir wanderten schweigend das grüne Flußufer entlang, hielten an der Brücke an und blickten lange auf die leuchtendweiße Fassade von Notre Dame.
    Andy sagte unvermittelt: »Bruder Michael, nimm dieses Geld. Es brennt mir seltsam auf der Hand, und ich glaube, es würde mir kein Glück bringen.«
    Ich staunte über seine Worte, beeilte mich aber, das Geld einzustreichen, bevor er sich anders besinnen konnte. Ich dankte ihm warm und versprach ihm eine gute Mahlzeit beim Engelskopf, wo wir uns beraten wollten, was nun zu tun sei.
    Doch brauchten wir über unsere Zukunft nicht zu beraten; das Schicksal hatte dies schon für uns besorgt. Bei unserer Rückkehr in die Rue de la Harpe sahen wir Herrn Didrik über die Abfallhaufen auf uns zustolpern. Er war schmuck in die dänischen Farben gekleidet, trug ein Schwert am Gürtel und einen Federhut auf dem Kopf.
    Er begrüßte mich, als wären wir erst am selben Morgen auseinandergegangen. »In was für einem Schmutzloch haust ihr denn, und was treibt ihr denn tagsüber? Ich bin schon zweimal hier gewesen, um euch

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