Michael, der Finne
ausfindig zu machen. Sagt mir rasch, wo es eine Quart Wein zu trinken gibt, denn ich habe euch etwas mitzuteilen.«
»Herr Didrik!« rief ich und bekreuzigte mich. »Hat Euch der Teufel hergesandt?«
»Der Teufel oder der König von Dänemark – es kommt auf dasselbe heraus«, meinte er. »Ich erhielt eure Adresse von der Alemannischen Nation. Wind und Wetter trieben mich nach Rouen mit einer Schiffsladung Franzosen voller Wunden und Frostbeulen, und ich soll an ihrer Statt frische Leute anwerben, denn der König hat ein Bataillon Franzosen in Sold. Und ihr – ihr müßt euch beeilen, wenn ihr euren Anteil und Gewinn an den guten Zeiten einfordern wollt, denn der hochmütige Sten Sture ist gestürzt, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der edle König ganz Schweden in seiner Gewalt hat.«
Diese Nachricht begeisterte mich so, daß ich ihn in den Engelskopf einlud und ihn und Andy festlich bewirtete. Ich erkannte natürlich, daß er sich nie bemüht hätte, mich aufzusuchen, wenn er sich nicht selbst Gewinn davon versprochen hätte. Doch hatten wir gemeinsame Ziele, und je mehr er mir erzählte, desto fester wuchs die Überzeugung in mir, daß die Stunde meines Glückes endlich geschlagen hatte und ich meinen Lohn für meine Arbeit im Dienste König Christians erhalten würde, wenn ich nur zur Verteilung der Beute zurecht käme.
»Der Widerstand des Feindes schmilzt wie Schnee dahin«, sagte er. »Festungen kapitulieren, ohne einen Schuß abzufeuern. Der Papst unterstützt den König, der den Kaiser zum Schwager hat und den Fugger im Austausch gegen schwedische Kupferbergwerke mit Geld versehen hat. So war es ihm möglich, schottische Söldner anzuwerben, die solche Draufgänger sind, daß sie noch in Kopenhagen aufeinander selbst losgingen. Einer von ihnen erhielt einen tödlichen Dolchstoß und versuchte sich zu retten, indem er unter das Pferd des Königs kroch. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen. Als ich Schweden verließ, sprach man schon von einem Waffenstillstand. Daher tätet ihr klug daran, eure Bücher in die Ecke zu werfen und sogleich mit mir nach Kopenhagen und von dort nach Schweden in See zu gehen.«
Nach stürmischer Seereise erreichten wir Anfang Mai Kopenhagen, wo wir erfuhren, daß König Christian erst vor wenigen Tagen abgesegelt war, um die Belagerung Stockholms zu leiten und die Stände zu empfangen, die er für Anfang Juni zu sich beschieden hatte. Wir faßten neuen Proviant, nahmen weitere Ladung ein und setzten unsere Reise die schwedische Küste hinauf fort.
Auf der ganzen Reise, ausgenommen an den Tagen, wo er seekrank war, sang Herr Didrik das Lob des Königs und sagte uns eine goldene Zukunft voraus. Wenn ich je an der Union gezweifelt hatte, so wurden meine Bedenken durch die neuesten Siegesbotschaften zerstreut. Und als wir Mitte Mai vor Stockholm ankerten, war ich fest überzeugt, daß die große Zeit des Nordens angebrochen war. Selbst der alte Doktor Hemming Gadh – ein Aufwiegler und der erbittertste Feind Dänemarks – hatte die Zeichen der Zeit erkannt und war zu König Christian übergegangen. Nun bemühte er sich nach Kräften, das Reich ohne unnützes Blutvergießen für seine Majestät zu gewinnen.
Mein Blick fiel auf das junge Grün der Silberbirken; zum erstenmal sah ich nun die Türme Stockholms über den Wassern emporragen. Wir segelten mit dem Frühling, und Frühling war es auch in meinem Herzen, als ich den Mastenwald der königlichen Flotte und die zahllosen weißen Zelte der Belagerer überschaute. Von König Christian und der Belagerung Stockholms aber will ich in einem neuen Buche berichten.
VIERTES BUCH
ERNTEZEIT
1
Aus der Ferne betrachtet, mag ein Feldlager im Frühlingssonnenschein für den jungen Beschauer seine Reize haben, doch wer sein tägliches Leben mitmacht, muß gewahren, daß es keine gefährlichere Brutstätte des Schmutzes, der Wollust, der Ausschweifung und der Unordnung gibt. Der scharfe Geruch nach Unrat, das Klirren der Waffen, laute Flüche, der Lärm und das Gebrüll besoffener Soldaten beleidigen die Sinne auf Entfernung von hundert Ellen und mehr, und hier drangen sie bis an die Küste. Ich bin überzeugt, daß die Streitkräfte des Königs sich während der dreimonatigen Belagerung selbst mehr Schaden zufügten, als dies den Verteidigern jemals gelang.
Herr Didrik war überzeugt, daß die Stadt kapitulieren würde, sobald die Stände der Einberufung durch den König Folge geleistet hätten. Dieser Meinung waren auch die
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