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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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mein Herr diktierte. Er bemühte sich, sein neuerworbenes Geld in irgendeiner wertvollen Reliquie anzulegen, und verhandelte außerdem mit dem Herzog von Sachsen, der ebenfalls ein begeisterter Sammler geweihter Gegenstände war. So hatte ich alle Hände voll zu tun.
    Andy kam heim, während ich in der Küche mein Abendbrot verzehrte, und bemerkte: »Hierzulande muß der Beruf einer Amme gut bezahlt sein. Ich wünschte fast, ich wäre als Weib geboren worden. Stell dir vor, was für eine unvergleichliche Amme ich abgegeben hätte! Die Amme unserer Herrin wohnt in einem Haus mit einer Mauer rundherum und ist so vornehm, daß ich sie gar nicht zu Gesicht bekam, sondern nur ihre Diener. Sie trugen alle buntfarbige, geschlitzte Gewänder und stolzierten wie die Hähne vor ihrer Tür auf und ab. Meine Herrin gab mir ein Goldstück, damit ich es niemand erzähle und auf Befragen eine ganz andere Geschichte zum besten gebe. Aber du zählst ja nicht mit, und die Sache mutete mich so seltsam an, daß ich dir davon berichten mußte.«
    Am nächsten Morgen machte sich Andy auf, Madame Geneviève zu holen. Als sie zurückkehrte, war sie leichenblaß und schien vollkommen erschöpft. Die Augen sahen ins Ungewisse und blickten abwesend; darunter hatte sie dunkle Ringe. Sie glich einer Schlafwandlerin; sie sprach zu niemand ein Wort, sondern ging stracks in ihr Gemach, warf sich auf das Bett und schlief wie ein Klotz.
    Unser Herr war äußerst besorgt und fürchtete, sie sei krank geworden; aber Andy beruhigte ihn.
    »Ich glaube, meine Herrin bedarf einfach des Schlafes. Sie ist an ein behagliches Bett und ein bequemes Leben gewöhnt. Eben erzählte sie mir, sie habe kein Auge zugetan und sei von Ungeziefer am ganzen Leibe gebissen worden.«
    Dem war wirklich so, denn als Meister Hieronymus uns in die Schlafkammer einließ, damit wir seine schlafende Gemahlin betrachteten, sahen wir, daß ihr Hals und ihre Schultern von roten Flecken übersät waren. Allein sie schlief ruhig und tief und hielt ein Kissen zärtlich ans Herz gedrückt.
    Meister Hieronymus deckte sie sachte zu, um sie unseren neugierigen Blicken zu entziehen, und meinte: »Möge ihr dies eine Lehre sein, ein anderes Mal nicht im Hause ihrer Amme zu schlafen.«
    Den ganzen folgenden Tag wartete ich ungeduldig auf eine Gelegenheit, sie zu sprechen. Doch sie wich mir aus, und ich konnte sie erst allein sehen, nachdem Meister Hieronymus zur Segensandacht gegangen war.
    »Ich beschwöre Euch, Madame, bei allen Heiligen, sagt mir, was Euch. widerfahren ist! Ich bin krank vor Sorge und habe die ganze Nacht wach gelegen, aus Angst, daß ich Euch einen Schaden zugefügt habe.«
    Sie antwortete freimütig: »Mein edler Geliebter empfing mich in seinem Gemach und bot mir zuerst nicht einmal einen Stuhl an. Als ich ihm aber einhundertfünfzig Dukaten überreichte, ließ er sich beschwichtigen und sandte seinen Diener nach dem Glas Wein, darum ich gebeten hatte. Wie es das Glück wollte, begannen seine Hunde im Garten herumzublagen, und als er sich entfernte, um sie durchzubleuen, konnte ich den Liebestrank mit dem Wein mischen, wie Ihr mich gelehrt hattet. Auf meine Bitte trank er aus dem Glas, wenn auch unwillig, und hatte kaum die letzten paar Tropfen getrunken, als er müde und schläfrig wurde. Er fing an zu gähnen, öffnete den Fensterladen, um ein wenig frische Luft einzulassen, und sagte, sein ganzer Körper brenne.
    Ich versuchte ihm die Zeit bis zur Wirkung des Mittels zu vertreiben, indem ich ihm erzählte, mein Gatte sei mit neuntausend Dukaten heimgekehrt; doch hatte ich kaum ausgesprochen, als er mich leidenschaftlich in seine Arme riß und mir gestand, sein Leib werde von so schrecklichen Flammen verzehrt, daß er sich entkleiden und in den Brunnen stürzen müsse, um sich abzukühlen. Mir ging es nicht besser, obgleich mir die weibliche Scham verbietet, mich darauf näher einzulassen. Aber ich versichere Euch, er stürzte sich so oft in den Brunnen, daß ich es nicht mehr zählen konnte und die Besinnung verlor, und er ließ mir die ganze Nacht keinen Augenblick Ruhe. Ich glaube, keine Frau hatte je einen feurigeren Liebhaber. Als ich Abschied nahm, versicherte er mich nochmals seiner Leidenschaft und zwang mich zu dem Geständnis, daß ich ihn liebe – aber ich muß über dies alles nachdenken, und mich schmerzt der Kopf, und ich bin müde. Ihr sollt mich in Ruhe lassen, Michael.«
    Ich wagte, sie an das zu erinnern, was sie mir schuldete; sie antwortete: »Ja,

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