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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Eine Geldstrafe jedoch blieb mir erspart, denn der Tavernenwirt konnte bezeugen, daß ich nicht Zeit gehabt hatte, jemand zu behandeln. So gewannen die Ärzte ihren Prozeß, und ich behielt einen guten Ruf.
    Sogleich nach dem Prozeß erbat einer der Ratsherren meinen ärztlichen Rat, denn, so meinte er, weder Gesetz noch Brauch könnten mir verbieten, Leute unentgeltlich zu behandeln; auch untersage das Gesetz den Kranken nicht, mir Geschenke zu machen, wenn es ihnen beliebe. Im Laufe unseres Gespräches, während dessen wir vom Krieg und den schurkischen dänischen Seeräubern sprachen, welche die dortige Küste heimsuchten, erwähnte er, daß Lübeck zehn vollbestückte Kriegsschiffe an Gustaf Eriksson verkauft und von ihm dafür eine Reihe schwedischer Schlösser zum Pfand erhalten habe.
    Ich kehrte in die Taverne zurück. Während die wartenden Kranken noch ihrer Erbitterung Luft machten, daß ich sie dank der Eifersucht meiner Kollegen nicht behandeln durfte, lenkte die Ankunft einer reichgekleideten Dame meine Aufmerksamkeit von ihnen ab. Ihr Haar war auf venezianische Art gefärbt; ihre braunen Augen weiteten sich vor Erstaunen, als sie meinem Blick begegneten. Mir war, als zöge sich eine Schlinge um meinen Hals zusammen; sie tat aber, als kenne sie mich nicht, und schritt geradewegs in ihr Gemach. Ich fragte den Wirt, wer sie wohl sei, und erfuhr, sie sei eine reiche schwedische Witwe aus vornehmem Geschlecht, die in Lübeck den Frieden abwarte, um nach Schweden zurückkehren und ihre Güter wieder in Besitz nehmen zu können, die der harte König Christian ihr gestohlen habe, nachdem ihr Gatte im Kampfe gegen die Jüten gefallen sei.
    Diese Geschichte beruhigte mich, deutete sie doch darauf hin, daß auch Madame Agnes ein Doppelspiel spielte. Ich ging eben mit mir zu Rate, ob ich sie besuchen, offen mit ihr sprechen und mich ihres Schweigens vergewissern sollte, als Andy stockbesoffen vom Hafen zurückkehrte. Ich hatte ihn dorthin gesandt, damit er die Schenken nach einem Mann mit einer Hasenscharte und drei Fingern an einer Hand absuche, und nun brannte er darauf, gleich wieder hinunterzugehen, wenn ich ihm mehr Geld gäbe. Ich hatte vollauf zu tun, ihn zu beschwichtigen, aber schließlich schlug er lang auf den Boden hin und blieb wie ein Toter liegen. Das erboste mich so, daß ich nach dem Schlafenden trat, bei welch löblichem Tun mich Madame Agnes überraschte; sie schlüpfte in meine Stube, schlang mir die Arme um den Hals und sagte, sie habe mich immer vermißt.
    »Bist du es wirklich, Michael?« rief sie. »Wie mich das freut! Doch sehe ich mit Schmerz, daß deine Stirn gefurcht und du nicht mehr das flaumige Kücken von damals bist, als wir uns zum erstenmal begegneten. Aber Michael, mein Liebster, du darfst mich hier in dieser bösen Stadt nicht kennen; das würde mir schaden. Hier weiß niemand, daß Herr Didrik mein Bruder ist, und ich führe ein tugendsames Leben, in der Hoffnung, einen guten Mann zu finden, der um mich freit.«
    »Ich teile Euren Kummer, Madame Agnes«, versetzte ich. »Ich höre, Ihr seid eine reiche Witwe aus vornehmem Hause und von brennendem Rachedurst gegen den bösen König Christian erfüllt. Daher laßt Ihr Euch über die militärischen Unternehmungen zu Lübeck berichten, und alle Eure Verehrer sind hohe Seeoffiziere.« Sie errötete anmutig und erwiderte: »Habt Ihr die Unverschämtheit besessen, mir nachzuspionieren? Und Ihr – was führt Ihr im Schilde? Ihr werdet am Galgen enden, wenn auch nur ein Mensch entdeckt, daß Ihr in Eurer Jugend der dänischen Sache dientet.«
    »Ich bin nicht mehr jung«, gab ich zurück, »sondern ein ehrwürdiger Arzt, und niemand weiß, daß ich Finne bin. Mein Name ist Michael Pelzfuß. Ihr und ich, wir sitzen im selben Schifflein, schöne Madame Agnes, und ich trage kein Verlangen danach, Euch zu kennen, wenn Ihr es nicht wünscht. Soll ich aber an den Galgen, so sollt Ihr, bei allem, was heilig ist, an meiner Seite baumeln.«
    Sie preßte die Hand an den Mund und murmelte schaudernd: »Sprecht nicht von so fürchterlichen Dingen! Legt Eure Arme um mich – seid zart mit mir, denn ich bin eine einsame Frau und leide große Angst vor den Gefahren, denen mein heimtückischer Bruder mich ausgesetzt hat. Habt Ihr Geld?«
    Ich sagte ihr, ich hätte genug für ein bescheidenes Leben auf einige Zeit; darüber sichtlich erfreut, meinte sie: »Gebt mir zehn Goldstücke, und ich will Euch an niemand verraten. Als Pfand dürft Ihr von mir

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