Michael, der Finne
ihm Schärpe und Schwert des Dänen um. Mit großer Mühe gelang es der Witwe und mir, ihn bis ans Flußufer zu bugsieren, wo wir ihn in ein Boot legten. Dann ruderte ich ihn zum Kloster hinüber, wo Pater Petrus ihn im Keller zwischen Fässern und Speckseiten verbarg. Pater Petrus und ich fielen einander um den Hals, weinten und beklagten Jungfer Pirjos trauriges Los, und er schmähte den hartherzigen Kirchenfürsten, der tatenlos zugesehen hatte, wie der Pöbel sie steinigte. Er sagte mir, daß der Bischof im Hafen Raumo ein mit seinen Kostbarkeiten beladenes Schiff liegen habe und nach Schweden fahren wolle, um sich dort unter Gustafs Schutz zu stellen.
Auf diese Nachricht hin eilte ich, entschlossen, mich jedes Vorteils zu bedienen, in die Stadt zurück und bat Admiral Norby um eine Unterredung. Dieser lustige Herr saß auf einem Grabstein vor dem Portal des Domes, von dem seine Leute die Flüchtlinge hinwegzulocken versuchten. Als ich ihm erzählt hatte, was ich von den Schritten des Bischofs wußte, erklärte er hocherfreut, er werde nicht verfehlen, dem würdigen Herrn die Hölle heiß zu machen. Doch wie sich später herausstellte, war Jungfer Pirjos Fluch so wirksam, daß sich ein gewaltiger Sturm erhob und das Schiff des Bischofs mit Mann und Maus darin umkam.
Jungfer Pirjos Tod hatte mir unsäglichen Gram bereitet, allein mein Wunsch, Andy zu retten, bewahrte mich vor der Stumpfheit der Verzweiflung.
Admiral Norby war sehr gnädig und diktierte mir einen Brief an Frau Christina, die nun mit anderen edlen Frauen in Dänemark gefangensaß. Der Admiral vertraute ihr an, daß er von der stolzen, schönen Witwe, die aus einem der edelsten Geschlechter Schwedens stammte, bezaubert sei und alles tun wollte, was in seiner Macht läge, um ihr zu helfen, ihren Kummer zu vergessen und sich wieder den Freuden dieser Welt zuzuwenden.
Mein Brief gefiel ihm; er nahm ihn mir aus der Hand, blickte mich freundlich an und fragte: »Warum so niedergeschlagen, junger Mann? Kommt mit auf See, und laßt Euch von Eurem Kummer heilen!«
Seine Sorge rührte mich tief; ich antwortete weinend: »Diesen ganzen Winter habe ich nichts als das Aas an den Galgen gerochen, und meine einzige Musik war der heisere Ruf der Krähen. Meine teure Pflegemutter wurde als Hexe zu Tode gesteinigt. Nun ist es mein einziger Wunsch, eine Wallfahrt ins Heilige Land zu tun, um die Vergebung meiner Sünden zu erflehen und dann Mönch oder Einsiedler zu werden.«
»Jeder nach seinem Geschmack«, meinte der Admiral, bemerkte aber, ich sei jung und gliche einem Heiligen nur wenig. Er sprach auch teilnahmsvoll von Jungfer Pirjo, als ich ihm ihre Geschichte erzählt hatte.
Da ich ihn mir wohlgewogen sah, fuhr ich bescheiden fort: »Ich habe einen Pflegebruder, einen brauchbaren, ehrlichen, wenn auch beschränkten Burschen. Er hat unter Nils Arvidsson als Kanonier gedient, wurde aber verwundet, als er meiner Pflegemutter beisprang. Nehmt ihn in Eure Dienste, Herr, und rettet ihm das Leben, denn wenn Ihr aus Abo auslauft, wird Junker Thomas ihn ohne Zweifel hängen lassen, und er hat niemand, der ihm helfen könnte, da seine eigenen Kameraden sich gegen ihn gewendet haben.«
Der Admiral dachte eine Weile nach und erwiderte: »Einen solchen Burschen könnte ich brauchen. Die schlauen Lübecker rüsten zum Krieg. Einige ihrer Kriegsschiffe sind bereits ausgelaufen, aber meine Spione, die ich in jener Stadt unterhalte, sind entweder unfähig oder betrunken, weil ich keine Nachrichten von ihnen bekomme. Wenn Ihr mir helfen wolltet, so würde ich Euch und Euren Pflegebruder anwerben, da er etwas von Geschützen versteht – denn Ihr, denke ich, versteht von Kriegsschiffen weniger als die Sau von Schüsseln und Pfannen.«
»Wie komme ich nach Lübeck?« fragte ich. »Und wenn ich mein Geschäft dort besorgt habe, darf ich dann den Pilgerstab nehmen und ins Heilige Land ziehen?«
Er lachte.
»Ihr seid so recht ein Mann nach meinem Herzen, Michael, denn Ihr wißt, was Ihr wollt. Ich versichere Euch, Ihr werdet meinetwegen so frei sein wie der Vogel in der Luft, selbst wenn ich von Euch nur die eine Nachricht erhalten hätte, daß die Sau achtzehn Junge geworfen hat; ich werde dann wissen, daß die Lübecker Flotte, achtzehn Schiffe an der Zahl, ausgelaufen ist. Ohne brauchbare Nachrichten gleich dieser sitze ich hier fest, als hätte ich den Kopf in einen Sack gesteckt.«
Er wies mich an, in den Hafenschenken Lübecks nach einem Mann mit einer Hasenscharte
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