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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Zügen; und hier ist nichts mehr übrig, was des Mitnehmens wert wäre, wie ihr seht.«
    Sie bekreuzigten sich mehrmals und drängten eilig zur Tür hinaus, denn Andy bot mit seinen schwarzen Flecken im Gesicht und den erschreckten Grimassen, die er schnitt, in der Tat einen furchterregenden Anblick.
    Als sie draußen waren, wandte ich mich an ihn.
    »Was ist dir widerfahren? Wo ist die gute Jungfer Pirjo? Und warum bist du zurückgeblieben, daß man dich aufhängt, du Narr? Deine Freunde hätten dir helfen können, oder du hättest wenigstens vor dem Altar Asyl gefunden.«
    Andy erwiderte traurig: »Ich habe keine Freunde auf dieser elenden Welt außer dir, Michael, und dieser guten Witwe, die wie eine Klette an mir hängt. Ich habe mich mit meinen Kameraden gezankt, und sie haben mich so zugerichtet.«
    »Du mußt freilich ein rechter Streithans sein, wenn du nicht einmal mit deinen Waffengefährten in Frieden leben kannst. Zweifellos warst du besoffen. Der Suff wird noch dein Tod sein – wenn du durch ein Wunder dem Galgen entgehst.«
    Schwach wie er war, entgegnete Andy doch entrüstet: »Ich wollte, ich wäre besoffen gewesen, so daß ich mich besser hätte wehren können, denn wenn ich nüchtern bin, bin ich so schwach wie ein Lämmlein. Sie haben mich beinahe umgebracht, als ich versuchte, deine gute Pflegemutter zu retten. Sie ist tot.«
    Die Wirtin Zu den Drei Kronen putzte sich die Nase und bestätigte diese Nachricht. Als sie mich vor Entsetzen sprachlos sah, fuhr sie eifrig fort und erzählte mir, daß es den Bürgern vor einigen Tagen eingefallen war, Jungfer Pirjo der Zauberei anzuklagen. Mit Hilfe der verrückten Soldaten warfen sie sie von der Brücke in den Fluß, aber sie trieb dank ihrer umfangreichen Unterröcke wieder schön ans Ufer wie eine wirkliche Hexe. Daher steinigten sie sie zu Tode und steckten sie in einen alten Korb, damit sie flußabwärts und ins Meer hinaus getrieben werde, möglichst weit weg von der guten Stadt Abo, der sie zweifellos schon lange Unheil gebracht hatte.
    »Sie schalten sie, daß sie eine solche Teufelsbrut wie Euch, Michael, zur Welt gebracht und Euch in ihrem Hause beherbergt habe«, fuhr sie behaglich fort. »Sie rächten sich an ihr, da Ihr ihnen entwischt ward. Als aber Andy hörte, was geschehen war, stürzte er wie ein wilder Stier auf ihre Angreifer los. Einem drosch er den Schädel ein, einen anderen ersäufte und viele weitere verletzte er, bevor der Pöbel ihn überwältigen konnte. Sie hätten ihn gewiß um einen Kopf kürzer gemacht, wäre ich nicht dazugekommen und hätte ihn nicht mit Bier und gutem Silber losgekauft.«
    Andy aber meinte: »Nimm es nicht allzu schwer, Michael. Jungfer Pirjo bittet dich, ihr Los nicht zu bejammern, denn du könntest nichts dafür. Sie sagte, sie habe dich immer wie ihren leiblichen Sohn geliebt. Den Tod schien sie nicht zu fürchten. Sie blieb hart und unerschütterlich bis zum letzten Atemzug und rief, ihre Peiniger, die sie steinigten, würden bald in der Hölle braten. Der Bischof stand auf der Brücke und sah zu, ohne einen Finger zu rühren, und ihm rief sie zu, er werde die Vogelkirschenblüte nicht mehr erleben.«
    Diese entsetzliche Geschichte verstörte mich so, daß mir die Knie wankten und ich zu Boden sank. Ich konnte nur den Kopf hin und her wenden, und darin brannte nichts als glühender Haß gegen die Stadt Abo und alle ihre Bewohner. Kein Zweifel, sie hatten selbst das Verderben über sich gebracht, als sie eine wehrlose alte Frau steinigten, die ihnen so wenig Böses zugefügt hatte! Mein einziger Trost war, daß Jungfer Pirjos Zorn nun seine Macht erwies, denn wenige Tage nach ihrem Tod ereignete sich die Explosion und brach das Feuer aus, das die halbe Stadt eingeäschert hatte. Auch Bischof Arvid konnte ihrem Fluch nicht entrinnen, das wußte ich, obwohl er geflohen war.
    Doch nun galt es, keine Zeit zu verlieren, denn der Wind sprang um. Als ich aus der Tür blickte, sah ich Rauchsäulen, Funkenwirbel und die Straße schwarz von Ratten, die aus den brennenden Häusern davonstoben.
    Der Allmächtige war mit Andy, denn aus den Rauchschwaden tauchte ein dänischer Soldat mit schweren Verbrennungen heulend vor uns auf. Er riß sich den heißen Helm von der Stirn und warf ihn von sich. Er hatte sich auf der Suche nach Beute zwischen den Hütten verirrt, und es war ein leichtes, ihm mit einer Stange eins über den Kopf zu hauen. Ich nahm seinen Helm und Küraß und stattete Andy damit aus; dann band ich

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