Michael, der Finne
und nur drei Fingern an der rechten Hand Ausschau zu halten. Ihn könne ich getrost mit eingehenden Nachforschungen über die Lage auf dem Schweinemarkt betrauen. Hätte den schon der Henker geholt, so solle ich einen Fischer bestechen, nach Visby in Gotland zu fahren und die Schweine dort zu verkaufen. Die Fischer und andere arme Leute in und um Lübeck seien auf den anmaßenden Stadtrat nicht gut zu sprechen; daher sollte es mir nicht schwerfallen, einen willigen Boten zu finden.
So geschah es, daß uns Admiral Norby beide an Bord seines Flaggschiffes nahm, als er wieder in See stach, um die Lübecker Flotte zu vernichten, wo immer er ihrer ansichtig würde. Bevor wir aber in See gingen, suchte ich die Stelle auf, wo Jungfer Pirjos Hütte gestanden hatte, und grub dort unter dem verkohlten Birnbaum nach meinem Geld. Dann stieg ich in den Keller und holte mir eine Menge ihrer Arzneien, damit ich in Lübeck als Arzt auftreten könnte. Es schien mir klüger, offen, gleichsam mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel, in die Stadt einzuziehen, als dort gleich einem verdächtigen Ausländer herumzuschleichen.
3
Von Junker Thomas nahm ich leichten Herzens Abschied. Wir kreuzten einige Tage in Lübecker Gewässern; dann sandte uns unser gutmütiger Admiral an Land, bevor er seinen Stützpunkt in Gotland wählte, wo er Nachrichten über die feindlichen Bewegungen abwarten wollte. Ich machte mich sogleich auf den Weg gen Lübeck, gefolgt von Andy, der mein Gepäck auf dem Rücken trug. Wir gesellten uns unangefochten zu anderen Reisenden; am Stadttor brauchte ich nur zu erklären, ich sei der Doktor Illustrissimus Michael Pelzfuß, um unverzüglich eingelassen zu werden; unverfälschtes Silber beantwortete alle übrigen Fragen. Der edle Admiral hatte mich mit deutschen Münzen und Florentiner Golddukaten wohl versehen, damit ich mich nicht durch in Abo oder Schweden geschlagene Münzen verriete.
Ich schlug meinen Wohnsitz in einer guten Taverne auf, wie es einem Manne meines Standes zukam, und ließ sofort durch einen Trommler öffentlich verkünden, daß ich eine Heilpraxis eröffnet hätte und alle Beschwerden heilen würde, selbst die, deren die einheimischen Ärzte nicht Herr würden. Sofort belagerte mich eine Horde Unheilbarer mit ihren Angehörigen, während zugleich die Ärzte der Stadt den Stadtrat mit Geschichten von einem ausländischen Quacksalber bestürmten, der ihnen ihre Vorrechte streitig machen wolle. Bevor ich noch Zeit fand, meinen ersten Kranken zu untersuchen, schleppte man mich wegen gesetzwidrigen Verhaltens vor die Richter, verlangte mein Diplom zu sehen, brummte mir eine Geldstrafe auf und hieß mich ein geschriebenes Gesuch einbringen, wenn ich zu Lübeck als Arzt praktizieren wolle. Wie ich gehofft hatte, fiel es niemand ein, daß ich ein anderer und gefährlicherer Geselle sein könnte.
Daher trat ich gefaßt und selbstsicher vor die Schranken des Gerichts. Unter den versammelten Ärzten in ihren pelzverbrämten Talaren erregte ich mit meinen Studien an der Universität großes Aufsehen; unter anderem erwähnte ich, daß ich unter dem weitberühmten Doktor Theophrastus Bombastus Paracelsus gearbeitet hatte. Die Ärzte erklärten einstimmig, ich sei zu jung, als daß ich meine medizinischen Studien hätte beenden können, und forderten mich zu einer Disputation über einige heikle Fragen heraus.
Ich aber wandte mich an den Rat: »Die Wissenschaft des Arztes beruht nicht auf seinem Latein, sondern auf seinem Vermögen, zu heilen. Ich fordere die Ärzte auf, sich darin mit mir zu messen. Laßt mich einen Kranken behandeln, den sie als unheilbar aufgegeben haben, und Wir wollen sehen, wer von uns mehr vermag.«
Darauf wurden die Ratsherren kleinlaut, konnten sie doch nicht glauben, daß einer eine so kühne Sprache wagen würde, der seiner Sache nicht sicher sei; sie betrachteten mich mit einer gewissen Ehrfurcht.
Die Doktoren aber waren höchst erbost. »Gelten den Herren vom Rat Leben und Gesundheit der guten Leute von Lübeck so wenig, daß sie dies einem Quacksalber anvertrauen würden? Solch einem Mann mag hie und da etwas gelingen, indem er sich zur Linderung der Schmerzen eines Unheilbaren teuflischer Künste bedient; doch ist das reines Blendwerk, und wir verdächtigen diesen Mann als Spagyristen, Häretiker und Nekromanten.«
Nach einer lärmenden Wechselrede wurde mir verboten, als Arzt in Lübeck zu praktizieren, außerdem wurde ich zur Bezahlung der Prozeßkosten verurteilt.
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