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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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fordern, was Ihr wollt, selbst das Opfer meiner Tugend und meines guten Namens, wenn Ihr- es übers Herz bringt, eine so grausame Forderung zu stellen.«
    Dies lehnte ich jedoch aufrichtigen Herzens ab; ihre Pfänder seien für mich wertlos.
    »Die Wahrheit zu sagen«, fuhr ich fort, »ich war eben daran, Euch aufzusuchen und Euch im Gedenken an die alten Zeiten selbst um eine Anleihe von einigen Goldstücken zu bitten. Ich will ins Heilige Land ziehen, um Vergebung meiner Sünden zu erlangen, und Ihr würdet ein gottgefälliges Werk tun, wenn Ihr mir helfen wolltet.«
    Sie versetzte kopfschüttelnd: »Der Kerl, den Ihr da bei Euch habt, brüllte wie ein Stier, und ich hörte ihn von einem Mann mit einer Hasenscharte und drei Fingern reden, den Ihr im Hafen sucht. Wollt Ihr mir ein Goldstück geben, wenn ich Euch sage, wo er ist?«
    »Gott vergebe uns unsere Sünden!« platzte ich erstaunt heraus. »Wir beide dienen offenbar demselben Herrn, Madame Agnes. Ihr sollt das Goldstück haben, wenn Ihr den Kerl herbringt. Jeder Vagabund in Lübeck weiß Dinge, von denen sich der dänische Admiral nichts träumen läßt.«
    Die schöne Agnes wollte zuerst das Goldstück sehen, schloß ihre zarte Hand darum und meinte unschuldig: »Ich kann ihn nicht herbringen; Ihr müßt ihn selber suchen. Ihr werdet ihn am Tor des Zeughauses finden; dort hängt er gevierteilt an der Wand.«
    Ich mußte ihr glauben und war erbittert über den Verlust eines ganzen Dukatens sowie des Silbergeldes, das Andy vertrunken hatte. Da mir keine andere Wahl blieb, als ihr zu vertrauen, fragte ich sie, wie es ihr mit dem Schweinehandel gehe, da die Muttersau schon lange geworfen habe. Sie erwiderte, der Handel sei in die Brüche gegangen, da die Ferkel dem Koben entlaufen seien und der Admiral in Finnland zu lange gezögert habe, um sie in seinem Sack zu fangen. Die Mächtigen Lübecks hätten ihre Ohren in jeder Schenke, und als sie zum Krieg rüsteten, war das erste, daß sie jeden, der ihren Kriegsschiffen übertriebene Beachtung geschenkt hatte, ins Gefängnis werfen oder hinrichten ließen.
    »Mir ist, als hätte ich den Kopf im Rachen eines Bären stecken«, jammerte sie. »Es war nie möglich, eine einzige brauchbare Nachricht nach Visby gelangen zu lassen; hier sitze ich nun mit all meinen Neuigkeiten wie der Geizige über dem Gold, das er nie ausgeben wird. Ich meine jedenfalls, daß König Christian das Spiel verloren hat. Lübeck hat Truppen gegen ihn ausgehoben, und sein lieber Onkel, der Herzog von Holstein, will sich seinen Feinden anschließen. Es wäre klug, andere Jagdgründe aufzusuchen. Der Kaiser und der König von Frankreich führen gegeneinander Krieg und brauchen Diener ihrer Sache, und Heinrich Viii. hat Frankreich den Krieg erklärt, wofür ihm der Papst den Titel ›Schirmherr des Glaubens‹ verliehen hat.«
    Sie erzählte mir von den Ereignissen in Europa so viel Neues und Erstaunliches, daß mir war, als hätte ich zu lange in einem finsteren Loch gehaust. Ich bestellte Wein und Speisen auf meine Stube und verbrachte einen angenehmen Abend in Madame Agnes’ Gesellschaft, während Andy auf dem Boden schnarchte. Sie erzählte mir, daß der türkische Sultan Selim Belgrad erobert habe und Ungarn bedrohe, wobei er die Zwietracht im Lager der Christenheit, die schlimmer sei als je zuvor, geschickt ausnütze. Dem Kaiser sei es auf unlauteren Wegen gelungen, seinen unnachgiebigen holländischen Lehrer auf den Stuhl des heiligen Petrus zu bringen, und dieser neue Papst nenne sich Hadrian VI. Madame Agnes erzählte mir ferner viele schlüpfrige Histörchen vom französischen Hof und den Mätressen Franz’ I. Sie entfaltete allen Witz und alle Bosheit, doch von Zeit zu Zeit tat sie einen sehnsüchtigen Seufzer und ließ ihre braunen Augen auf mir ruhen.
    Schließlich sagte sie: »Ihr seid jung, Michael, jünger als ich, und ich komme mir neben Euch wie eine Greisin vor, obwohl ich noch nicht fünfundzwanzig bin – oder wenigstens noch nicht dreißig. Ihr seid viel männlicher geworden, als ich Euch in Erinnerung habe. Ich finde Eure Selbstbeherrschung und Eure dunklen Augen richtig verwirrend.« Sie maß mich neugierig. »Woran denkt Ihr?«
    »Ich fragte mich eben, wie wir entwischen könnten, solange noch Zeit ist, und mich quält der Gedanke an die vielen Spione, die vielleicht ebenso müßig wie wir in dieser guten Stadt herumlungern, nun da Admiral Severin sich trotz all seiner Klugheit lächerlich gemacht hat.«
    »Genug für

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