Michael, der Finne
erwachte, war mir, als hätte ich nur einen bösen Traum gehabt, und der Anblick Andys, der auf dem Boden lag und stöhnend den Kopf mit den Händen hielt, rief mich mit Gewalt in den Alltag zurück.
Ihn ob seiner Dummheit zu schelten war zwecklos; daher wanderte ich selbst zum Hafen hinunter, um Mittel und Wege zu finden, dem Admiral eine Nachricht zukommen zu lassen. Allein mein Gang blieb vergeblich. Jeden Morgen liefen die Fischerboote mit ihren Netzen aus, aber Wachboote folgten ihnen und ließen kein einziges Segel aus den Augen. Ich selbst wurde nicht verdächtigt, weil ich verlauten ließ, ich warte auf eine Gelegenheit zur sicheren Überfahrt nach Danzig; außerdem aß und trank und zeigte ich mich oft mit Madame Agnes – die mich jetzt beschwor, sie auf meiner Weiterreise wenigstens bis Venedig mitzunehmen –, so daß der Wirt glaubte, ich machte der schönen, reichen Witwe ernstlich den Hof.
Eines Tages kehrte Andy vom Hafen zurück und berichtete: »Da hockt ein Kerl mit einem Glasauge schon seit vier Tagen unten am Tor des Zeughauses. Er versucht, seine Schweine an die Schiffe zu verkaufen, fordert aber einen so hohen Preis, daß sie keiner kaufen will, obwohl er weint und jammert und alle Vorübergehenden anfleht, in Gottes Namen zu kaufen, sonst werde ihn seine gestrenge Herrin zum Krüppel schlagen.«
Ich stutzte. Das Glasauge mochte gar wohl ebenso wie die Hasenscharte ein Einfall von Admiral Severin sein, denn es konnte nicht einmal einem Fremden entgehen.
So ging ich stracks zum Hafen, trat an den schmierigen, übelriechenden Sauhändler heran und sprach zu ihm: »Bist du von Sinnen, Kerl? Heute sitzt du den vierten Tag hier und versuchst, deine Schweine um einen Schandpreis an den Mann zu bringen. Weißt du nicht, daß der Rat der Stadt solche Händel verboten hat? Bald werden die Hellebardiere hier sein, dich durchwalken und deine Schweine konfiszieren, ohne dir einen Pfennig dafür zu zahlen. Verkauf die Schweine sogleich mir, und du wirst einen guten Kunden finden.«
Das Glasauge seufzte und weinte: »Der Rat hat nur die Preise für geschlachtete Tiere und gesalzene Fische festgesetzt. Für Lebendgewicht darf man fordern, soviel man will, und meine Herrin heischt einen hohen Preis für diese Tiere, denn sie sind ein guter Schlag und gut zu mästen. In Stockholm würde man sie mit Gold aufwiegen; ich höre, man verzehrt dort schon Ratten und Katzen.«
Ich meinte: »Mein Diener soll ein Weilchen auf deine Schweine achten. Komm mit mir in die Kirche, wo wir die Sache in Ruhe besprechen können.«
Er tat, wie ich ihn geheißen hatte. Wir knieten wie zum Gebete; dann murmelte er: »Der edle Herr, dessen Namen ich nicht nennen darf, hieß mich nach einem Manne Ausschau halten, der trotz seiner Jugend aussieht, als hätte er seine Butter verkauft und den Erlös verloren. Zweifellos seid Ihr jener Mann, und ihr müßt mir sogleich erzählen, was Ihr wißt, denn ich gehe heute abend in See. Ich soll Euch ein Goldstück für jedes Schwein geben, von dem Ihr wißt, oder aber auch ein Messer in den Leib rennen, ganz wie ich es für richtig halte.«
Ich teilte ihm alles mit, was ich entdeckt hatte, und bat ihn eindringlich, eine gewisse gutunterrichtete, vornehme Dame mitzunehmen, denn ich sah keinen anderen Weg, Madame Agnes loszuwerden. Während wir noch sprachen, huben die Glocken zu läuten an, und siegestrunkene Menschen strömten in die Kirche, um Gott zu loben.
Ich fragte sie, was geschehen sei, und sie antworteten: »Es hat eine große Seeschlacht vor Stockholm stattgefunden, und die stolzen Lübecker Mannen, die unter Herrn Gustaf dienen, haben ein starkes dänisches Geschwader vernichtet, das aus Finnland zur Befreiung Stockholms unterwegs war. Kein einziges Schiff entkam, und Gustaf hat den Admiral hängen lassen, einen gewissen Junker Thomas, der kein besseres Los verdiente.«
Glasauge seufzte tief und sprach: »Nun habe ich mehr als genug zu erzählen, und der Admiral wird mich für die schlimmen Nachrichten auch noch hängen lassen. Doch es ist hoch an der Zeit, daß ich gehe; und ich kann keine Unterröcke an Bord brauchen, denn sie bringen Unglück auf See, und die Fahrt wird beschwerlich und gefahrvoll sein.«
Ich bat und flehte und versprach ihm schließlich, er könne alles Gold, das mir zugedacht sei, behalten, wenn er nur Madame Agnes mitnehmen wollte.
Darauf besann er sich eines Besseren und meinte fromm: »Wenn sie als Nonne verkleidet ist, kann ich sie aus der Stadt
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