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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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wollt, Sebastian, so müßt Ihr für Eure verletzenden Worte Sühne leisten. Züchtigt mich mit Schimpfworten, heißt mich ein Käsegesicht und einen Dahergelaufenen; aber nicht Barbara, die mein Weib werden soll.«
    Eine wahre Verzückung überkam mich, als ich so zu Sebastian sprach. Erst als er von meiner Verlobten Übles redete, erkannte ich, wie innig ich sie liebte. Ich sehnte mich nach ihr und wollte mein Leben mit ihr teilen, wenngleich es mich selbst seltsam dünkte. Und Sebastian konnte mir nicht widerstehen; sein warmes Herz siegte über seinen Verstand; er umarmte mich und versprach mir, mich in seinen besten Gewändern zum Altar zu geleiten und nachher dem Fest als mein Gast beizuwohnen. Er lieh mir sogar seinen Samtmantel mit dem Silberfuchskragen für den Hochzeitszug, da es kalt geworden war und ein eisiger Wind von den Alpen her wehte.
    Von meiner Hochzeit will ich nur sagen, daß ich wie blind und glücklich war und keiner schlimmen Vorzeichen achtete, obwohl die Menge den Hochzeitszug mit scheelen Augen betrachtete und uns keinen der üblichen Segenswünsche zurief. Barbaras Mitgift reichte aus, mich mit allen notwendigen Kleidern, mit Wäsche und Haushaltsgegenständen zu versehen; überdies zählte mir der alte Büchsenmacher bedächtig fünfzig rheinische Gulden in einen Lederbeutel. Ich wollte ihn als meinen Vater umarmen, er aber stieß mich grob beiseite, und kaum war eine Woche vergangen, mußte ich erkennen, daß sowohl er als auch sein Sohn uns entschieden aus dem Hause haben wollten.
    Ich bemühte mich um eine angemessene Beschäftigung für mich, gehörte aber keiner der städtischen Innungen an und war ortsfremd. Viele kurz angebundene und demütigende Abweisungen verbitterten mich. Ich kam mir vor wie ein dahergelaufener Straßenjunge, den ehrliche Leute aus ihrer Gesellschaft ausstießen. Sebastian war mein einziger Freund, doch er besuchte mich nur, um mit mir Fragen zu erörtern, die sich auf seine große Leidenschaft, die Gerechtigkeit Gottes, bezogen. Da ich hingegen an theologischen Fragen mehr Anteil nahm als an juristischen, redeten wir oft aneinander vorbei, wenn wir die klaren Worte der Bibel auszulegen versuchten. Seine Gefährten, die unwissenden Weberlehrlinge, wichen mir aus und beneideten mich um seine Freundschaft; sie nannten mich auch weiterhin das Molkengesicht, obwohl ich meine Kraft und meine gesunde Farbe wiedergewonnen hatte.
    Unter diesen Demütigungen litt mein Stolz. Ich suchte ohne Sebastians Wissen seinen Vater, den Kürschner auf und bat ihn, mich als Lehrling anzunehmen. Er aber reichte mir das Messer und ein Maulwurfsfell und sah zu, wie ich mich damit redlich abmühte; schließlich aber nahm er mir das Messer aus der Hand und meinte, ich sei nicht zum Kürschner geboren. Dafür empfahl er mich einem Apotheker; der aber war ein geiziger, unwissender Bursche, der seine Tränklein in aller Heimlichkeit mischte. Ich bin überzeugt, daß er seine Kunden mit wertlosen Mittelchen abspeiste und daher keinen Gehilfen wünschte. Auch als Arzt konnte ich mich nicht niederlassen, obwohl ich ohne Zweifel meinen Patienten nicht mehr Schaden zugefügt hätte als die zugelassenen Ärzte, solange ich mich an die einfachen Prinzipien von Doktor Paracelsus hielt.
    Das waren harte Zeiten. Das Reich führte unablässig Krieg gegen das reiche und mächtige Frankreich. Aus der Schweizer Eidgenossenschaft und aus dem Norden kamen die streitsüchtigen Stimmen von Häretikern, die eine Säuberung der Kirche forderten. Die kleine Stadt Memmingen wurde von diesen stürmischen Wogen überspült und hart mitgenommen. Fast jeden Tag stand ein Mönch, der aus seinem Kloster entlaufen war, oder ein wandernder Schusterlehrling auf dem Marktplatz und predigte gegen die heiligen Bräuche der Kirche und das Mönchswesen. Dann pflegte er Almosen zu erbetteln, um seine beschwerliche Reise in andere Städte fortzusetzen. Gottes Blitze streckten diese Aufwiegler nicht zu Boden, und aus Angst vor Unruhen wagten weder kirchliche noch weltliche Gerichte, ihnen eins am Zeug zu flicken.
    Die aufwieglerischen Ansprachen dieser Wanderprediger verbreiteten eine Pest über das ganze Reich hin, so, wie die wirkliche Pest aus trockenem Staub entsteht und durch den bloßen Hauch übertragen wird, daß niemand vor ihr sicher ist. Die Leute hörten diesen zerlumpten Brüdern lachend oder gleichgültig oder mit offenen Mäulern zu. Aber die Worte steckten ihre Gemüter an und zehrten an ihnen, wie die

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