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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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genommen hat. Auch in anderen Punkten ist er kein ausgeprägter Heiliger.«
    Sebastian entgegnete: »Ihr hättet ihn sehen und ihm in die Augen schauen sollen! Dann hättet Ihr gewußt, daß der Heilige Geist aus ihm redet. Er begnügt sich auch nicht mit dem, was er schon geleistet hat. Er hat seinen engsten Anhängern mitgeteilt, daß er erst zufrieden sein wird, wenn alle Heiligenbilder in den Kirchen als Götzenbilder zerstört, alle Klöster in Schulen und Werkstätten verwandelt sein werden. Luther ist ein lauer Beschwichtiger gegen Zwingli; denn Luther erlaubt alles, was die Bibel nicht ausdrücklich verbietet, während Zwingli alles verbieten will, was die Bibel nicht ausdrücklich fordert.«
    »Das glaube ich wohl«, versetzte ich, »denn wenn wir einmal das Tau fahren lassen und den Rettungsanker der Kirche, so haben wir keinen Grund, anderen nutzlosen Ballast noch mitzuführen. Werfen wir daher gleich die heiligen Sakramente über Bord, und lassen wir Satan mit aller Macht in die Segel blasen.«
    Ich sagte dies spöttisch; Sebastian aber blickte mich mit Augen an, in denen die Verzückung brannte. Er antwortete: »Ihr sprecht wahrer, als Ihr denkt! Es ballt sich ein Ungewitter zusammen, dessen dumpfes Grollen jetzt schon vernehmlich ist. Der Sturm wird alles Alte und Verbrauchte hinwegfegen, auf daß das Gottesreich auf Erden gegründet werde.«
    Stadtpfarrer Christoph sagte: »Der Papst selbst unternahm es, Zwingli zu versuchen und zu bestechen, indem er Reformen innerhalb der Kirche versprach; allein es ist vergeblich, ein zerfallenes Haus reinigen zu wollen. Es muß niedergerissen werden. Zwingli nimmt die Offenbarung des heiligen Johannes zum Zeugnis, daß die vom Papst regierte Kirche der Antichrist ist, und eindeutige Vorzeichen kündigen ihren bevorstehenden Untergang an. Als nämlich Papst Hadrian im pestverseuchten Rom die Weihnachtsmesse feierte, löste sich ein großer Stein aus einer der Säulen und stürzte auf den Altar vor ihm. Das ist ein Zeichen, das jeder wahre Christ versteht, obwohl der Papst es anders erklären möchte, nämlich als ein Zeichen des Falles von Rhodos, da gerade am Weihnachtstage die Ungläubigen die Stadt mordend, brennend und plündernd durchzogen, obwohl Rhodos schon kapituliert hatte.«
    Darauf erhob ich mich und sprach: »Ich glaube wahrhaftig, daß der Antichrist auf die Welt gekommen ist und der Satan den Menschen den Blick getrübt hat, wenn der Heilige Vater schon geschmäht, die Heiligenbilder Götzenbilder genannt werden und ihr nicht länger die Türkengefahr fürchtet, die der ganzen Christenheit droht! In elfter Stunde schürt ihr Zwietracht und Streit, und es scheint, als würdet ihr erst bereuen, wenn der Hufschlag der türkischen Horden in euren Straßen erklingt und ihre Priester den Namen ihres falschen Propheten von den Kirchtürmen der Stadt rufen!«
    Einige Weber sprangen auf und redeten auf Sebastian ein: »Dieser Michael Pelzfuß ist von mönchischem Firlefanz besessen und verachtet die klaren Worte der Bibel, die jeder verstehen kann. Sollen wir ihm nicht mit den Fäusten die Augen öffnen, ihm die Papisterei aus dem Leibe treten und so seine unsterbliche Seele retten, bevor er in unserer evangelischen Bruderschaft Zwietracht säen kann?«
    Sebastian aber trat für mich ein, und ich konnte unbehelligt, aber in tiefer Sorge über alles Gehörte, nach Hause zurückkehren. Am nächsten Tag besuchte mich Sebastian, ungeachtet des üblen Rufes unseres Hauses, in der Hoffnung, meine Bedenken zu zerstreuen. Barbara lauschte schweigend, indem sie uns mit ihren gelbgrünen Augen abwechselnd ansah.
    Allein ich widersprach Sebastian: »Die heilige Kirche steht nun seit fünfzehnhundert Jahren festgefügt und siegreich durch das Blut ihrer Heiligen und Märtyrer. Papst Hadrian ist ein strenger, frommer Mann, der nichts sehnlicher wünscht, als die Kirche zu reinigen und die Geldwechsler aus dem Tempel zu jagen. Doch ist die Kirche verloren, wenn jeder Schuster und Schmiedelehrling die Bibel auf seine eigene Art liest und sie nach seiner Unwissenheit auslegt.«
    Sebastian entgegnete: »Auch die heiligen Apostel waren unwissende Fischer, und Gott ließ seinen eingeborenen Sohn als Kind eines gewöhnlichen Zimmermanns zur Welt kommen. Die Kirche und die Universitäten haben die einfache Botschaft der Heiligen Schrift nur verwirrt.«
    »Sebastian«, beharrte ich, »wenn die Menschen den Glauben an die heilige Kirche und die Sakramente verlieren, so auch an alles

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