Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum
zurückzuzahlen. Sie bekam eine Anstellung in der Anwaltskanzlei Sidley Austin in Chicago. Dort hatte sie ein Jahr zuvor ein Sommerpraktikum absolviert.
Das öffentliche Wissen über Michelles drei Jahre in der Kanzlei kreist im Wesentlichen um wenige Wochen im Sommer 1989; damals lernte sie Barack kennen. Er hatte ein ähnliches Sommerpraktikum erhalten wie sie zwei Jahre zuvor, und sie war als seine Betreuerin eingeteilt worden. Im Zuge der immer selben Anekdoten in den Berichten darüber haben sich einige Legenden entwickelt, die sich bis heute halten. Eine davon besagt, Michelle sei die einzige Afroamerikanerin bei Sidley Austin gewesen. Den Anstoß dazu gab sie selbst durch ihre Bemerkung, sie habe Baracks Avancen zunächst zurückgewiesen. Denn sie und er seien «die einzigen zwei schwarzen Menschen hier» gewesen, und was hätte das für einen Eindruck gemacht, wenn die gleich etwas miteinander haben. Als die «Washington Post» diese Darstellung am 11. Mai 2007 wiederholte, verlangte die Kanzlei eine Korrektur: 1989 hätten 14 Afroamerikaner als Rechtsanwälte bei Sidley Austin gearbeitet. Zu den «Partnern», also Eigentümern der Kanzlei, gehörte damals ebenfalls ein Schwarzer, Charles Lomax. Die Legende von Michelle als einziger Schwarzer dort wurde in anderen Medien dennoch weiter kolportiert.
Die Begegnung mit Barack führte zu einer bedeutenden Wende in Michelles Leben. Sie beschränkte sich nicht auf ihr Privatleben. Aufgrund der Gespräche mit ihm schlug sie einen neuen Karriereweg ein. Wer Aufschluss über den Wandel ihrer Einstellungen und Prioritäten in den drei Jahren in der Kanzlei sucht, dem helfen die weitverbreiteten bunten Berichte über das Kennenlernen und Flirten mit Barack nicht weiter. Sondern dafür muss man die abermals eher raren Informationen über ihre Arbeitsfelder sowie ihren Umgang mit Vorgesetzten und Kollegen zusammensuchen. Erst im Vergleich der 27-jährigen Michelle, die Sidley Austin 1991 den Rücken kehrt, mit der 24-jährigen Michelle, die 1988 in die Kanzlei eingetreten war, wird deutlich, welch enormen Einfluss die Begegnung mit Barack auf ihre Berufsziele hatte.
Gutes Geld und Langeweile
So wie Princeton und ihre Bachelor-Arbeit für eine Phase des gedanklichen Aufbegehrens gegen die herrschenden Verhältnisse standen, lässt sich der Berufseinstieg bei Sidley Austin als Anpassung an die Gesellschaftshierarchie und ökonomische Ordnung deuten. Michelle strebte damals einen gutbezahlten Job in einer angesehenen Firma der Privatwirtschaft an und nicht etwa eine Tätigkeit aus politischer oder sozialer Motivation. Auch diesen Umstand haben spätere Kontroversen im Wahlkampf vernebelt. Doch Michelle hatte ihre Optionen früh sondiert. Bereits in ihren ersten Studienjahren in Prince ton hatte sie sich umgehört, inwieweit das Netzwerk der Alumni sie fördern könne. Auf dem Campus gab es ein Büro namens «Career Services», dort konnte sie die Adressen ehemaliger Princeton-Studenten nachschlagen, die ihren Nachfolgern Hilfe bei Fragen zur Berufswahl, nach Ferienpraktika und Berufseinstiegen anboten. Michelle stieß auf den Namen Stephen Carlson. Er arbeitete in der Anwaltskanzlei Sidley Austin in ihrer Heimatstadt Chicago. Noch während ihres Soziologiestudiums schrieb sie ihm einen Brief, ob die Firma Sommerpraktika für Studentinnen wie sie anbiete. Carlson antwortete ihr damals, für Sidley kämen nur Jurastudenten infrage. Er legte aber eine Liste öffentlicher Organisationen bei, die eventuell Praktikanten aus anderen Fächern in den Collegejahren nehmen, und ermunterte sie, in Kontakt zu bleiben.
Ihr Studium der Rechtswissenschaft in Harvard eröffnete dann die Chance, die ihr zuvor noch verwehrt war. Nach ihrem zweiten Jahr Jura absolvierte Michelle ein Ferienpraktikum bei Sidley Austin, zusammen mit rund 50 anderen Studenten. Diesmal musste sie keine Eigeninitiative zeigen. Die großen Kanzleien der USA schicken ihre Talentspäher Jahr für Jahr an die herausragenden Universitäten, um die späteren Absolventen kennenzulernen und zu testen. Üblicherweise geschieht das nach dem zweiten Studienjahr, also ein Jahr vor dem Studienabschluss. Weniger häufig sind solche Praktika bereits nach dem ersten Studienjahr Jura, wie es Barack Obama erhielt. Die Kanzlei bot Michelle als Einstiegsgehalt 65000 Dollar. Es war eine bequeme Lösung. Sie kam nach Hause im doppelten Sinne: in ihre Heimatstadt Chicago und zu ihren Eltern. Auch ihr Bruder Craig kehrte 1988 nach
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