Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum
Politik. Als Rechtsanwalt könne man die Welt nur im Rahmen der Auslegung der geltenden Gesetze beeinflussen, lautete die zentrale Schlussfolgerung. Wer mehr Wandel wünsche, müsse die Gesetze verändern, also Politiker werden und Mehrheiten für eine andere Gesetzgebung organisieren.
Michelle ahnte wohl, dass sie ihre Aufnahme auch der Förderung durch «affirmative action» verdankte. Und sie lernte rasch, sofern sie es nicht schon vorher wusste, was manche Weiße argwöhnten: nämlich dass ein Teil der Afroamerikaner es ohne diese Mechanismen nicht nach Harvard geschafft hätte. Aber es habe sie nicht groß gestört, erinnert sich eine Mitstudentin, Verna Williams: «Sie erkannte an, dass sie durch ‹affirmative action› einen Vorteil hatte. Aber sie fand, das sei völlig in Ordnung.»
Obamas Wahlkampfteam bestritt diese Sichtweise im Februar 2008 gegenüber US-Medien ausdrücklich und setzte eine andere Erklärung dagegen. Bei der Aufnahme in Prince ton 1981, so gaben die Helfer nun zu, habe die Tatsache geholfen, dass ihr Bruder dort studierte und Vorzeigesportler war. Die Zulassung in Harvard 1985 hingegen sei allein ihren herausragenden Leistungen in Princeton zu verdanken. Zu diesem Zeitpunkt der Kampagne hatte Michelle ohnehin mit dem widersprüchlichen Bild zu kämpfen, dass sie persönlich es in der US-Gesellschaft sehr weit nach oben geschafft hatte, sich aber öffentlich oft darüber beschwerte, wie sehr die Schwarzen benachteiligt würden.
Während des Jurastudiums in Harvard war Michelle nach den Erzählungen ihrer damaligen Freunde und Wegbegleiter politisch nicht sonderlich aktiv. Sie brachte ihre Sichtweisen und Erfahrungen mit dem Umgang von Schwarzen und Weißen in die Lehrveranstaltungen ein. Und sie suchte, wie in Princeton, Gesellschaft im Umkreis afroamerikanischer Institutionen, zum Beispiel dem «BlackLetter Journal». Diese Publikation befasste sich mit den Rechtsproblemen Schwarzer. Anders als ihr späterer Mann, der erster schwarzer Chefredakteur der «Harvard Law Review» wurde, bemühte sie sich nicht um Aufnahme in die Redaktion dieser renommierten Fachzeitschrift. Dabei war die Atmosphäre in ihrem Umfeld hoch politisiert. Ronald Reagan war mit großer Mehrheit wiedergewählt worden. Im Sommer 1987, am Ende ihres zweiten Studienjahrs, erreichte der Protest gegen Reagans Wunschkandidaten für einen offenen Sitz im Verfassungsgericht, den Konservativen Robert Bork, auch die Universität Harvard. «Stop Bork» stand auf der Tafel eines Hörsaals, den Michelle besuchte. Regelmäßig gab es auf dem Campus Demonstrationen gegen das Apartheidsregime in Südafrika oder für die Berufung von mehr Frauen und Minderheitenvertretern als Professoren. Doch in solchen Fragen hielt sich Michelle mit öffentlicher Parteinahme zurück. An Demonstrationen habe sie sich kaum beteiligt, sagen Mitstudentinnen.
Ehrenamtliche Arbeit leistete sie jedoch. Die wird in den USA von allen Studenten erwartet und spielt später eine wichtige Rolle bei Bewerbungen. Michelle half im «Legal Aid Bureau» aus, einer von Studenten betriebenen Organisation, die ärmeren Bürgern unentgeltliche Rechtsberatung erteilt. Dabei ging es zum Beispiel um Mietstreitigkeiten, den Anspruch auf Sozialleistungen oder auch die Beratung in Scheidungsverfahren, die vor allem Frauen helfen sollte, ihre Ansprüche durchzusetzen.
Insgesamt drängt sich dieses Resümee für Michelle in Harvard auf: Die Zeit dort und die Studieninhalte waren nicht die Erfüllung großer Sehnsüchte und Wünsche. Sie zog dieses Hauptstudium, das üblicherweise mit dem Doktor der Jurisprudenz abschließt, durch, um sich und der Welt zu beweisen, dass sie das kann. Sie hat sich durchgebissen, weil sie sich dieses Ziel gesetzt hatte. Und dazu passt dann auch der Gratulationsspruch, den ihre Eltern in das Jahrgangsbuch der Abschlussklasse 1988 drucken ließen, nachdem sie den dafür üblichen Obolus entrichtet hatten: «Wir wussten, dass du das schaffen würdest – schon vor 15 Jahren, als wir dich nie dazu bringen konnten, den Mund zu halten.»
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
Die Anwältin und der Praktikant
«Ich bin die Zynikerin in der Familie.
Er ist der Hoffnung-Typ.»
Michelle am 1. Mai 2008 in Indianapolis
Mit der Promotion in Harvard 1988 war für Michelle der Moment gekommen, um den Lohn der mühevollen Studienjahre einzustreichen – und damit anzufangen, ihre Schulden für sieben Jahre Studium
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