Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum
gezogen war, dessen Blutsverwandte in alle vier Winde zerstreut waren, weckte das Zuhause, das Fraser und Marian Robinson für sich und ihre Kinder gebaut hatten, die Sehnsucht nach Stabilität und einem festen Ort.»
In die Zeit, in der sich die beiden verlobten und ein Jahr später die Hochzeit planten, fielen mehrere niederdrückende Erlebnisse im persönlichen Umfeld. Michelles Vater Robinson war nicht der einzige Todesfall in jener Zeit. Einige Monate zuvor, 1990, war Suzanne Allele, eine ihrer besten Freundinnen aus der Studienzeit in Princeton, an Krebs gestorben. Sie war gerade mal Mitte zwanzig. Michelle hat mehrfach gesagt, dieser Schock habe zum baldigen Berufswechsel, aber auch zur Eheschließung beigetragen. Sie spürte einen inneren Druck, ernsthafter darüber nachzudenken, was sie in ihrem weiteren Leben erreichen wolle. In Afrika erlag Billy, ein Vetter, den Barack bei einer Keniareise kennengelernt und lieb gewonnen hatte, der Aidserkrankung. Auf Hawaii starb 1992 Baracks weißer Großvater Stanley Dunham. Immerhin war es Barack vorher noch rechtzeitig gelungen, Michelle mit auf Reisen nach Hawaii und Kenia zu nehmen. Dort lernte Michelle auch Baracks Mutter Ann kennen, die 1995 einem Krebsleiden erlag. Weihnachten verbrachte Barack gern in Honolulu – eine Sitte, die die Obamas in den Jahren seines politischen Aufstiegs beibehielten. Das warme Wetter dort bedeutet eine angenehme Unterbrechung der kalten Winterwochen in Chicago. Baracks Halbschwester Maya Soetoro-Ng, das einzige Kind aus der zweiten Ehe seiner Mutter mit dem Indonesier Lolo Soetoro, erzählt, Michelle habe sich rasch angepasst an «unsere Weihnachtsrituale mit viel Faulenzen und Spaß», unzähligen Scrabble-Turnieren und dem Brunch, das dort aus Pfannkuchen, käseüberbackenen Eiern und frischem Orangensaft bestand.
Am 3. Oktober 1992 heirateten die beiden. Jeremiah Wright traute sie in der Trinity United Church of Christ. Der politisch weit links stehende Pastor, der eine Art Theologie der Befreiung für Afroamerikaner predigt, hatte Barack damals sehr beeindruckt und wurde nun zum Familienseelsorger. Er taufte auch die beiden Töchter der Obamas und segnete ihr neues Haus, das sie 2005 kauften. Später, in der Zeit der Präsidentschaftskandidatur, wurde die Nähe zu einem Pfarrer mit so revolutionären Ansichten zu einer Belastung; die Wege trennten sich im Streit.
Auf dem offiziellen Hochzeitsfoto trägt Michelle ein schulterfreies weißes Kleid, der Schleier bedeckt nur den Hinterkopf, ihr Haar liegt eng an und lässt die Ohren frei. Barack ist in einen Smoking mit weißer Fliege und einer weißen Blume im Knopfloch gekleidet. Mehrere kenianische Verwandte waren gekommen, wie Barack in «Dreams» erzählt. Sie trugen farbige Stammesgewänder.
Die Hochzeitsreise führte an die Pazifikstrände Kaliforniens. Ein paar Monate wohnte das junge Paar in Michelles Elternhaus, bei Marian. 1993 kauften Michelle und Barack eine 200-Quadratmeter-Wohnung in einem hübschen Apartmentkomplex rund 20 Straßenblocks weiter nördlich, nahe am Lake Michigan und in bequemer Entfernung zur Universität, wo Barack nun im Nebenberuf Verfassungsrecht lehrte. Die offizielle Adresse ist 5450 East View Park, App. 1. Die Anlage ist eingezäunt, strahlt Ruhe und Wohlstand aus. Die insgesamt 99 Wohnungen mit hohen Fenstern verteilen sich auf dreistöckige Reihenhäuser, die sich im Bogen um eine Grünlage aus Rasen, kleinen Hecken und alten Bäumen ziehen. Die Wohnung der Obamas liegt im Hochparterre linker Hand vom Hauseingang 5450 und erstreckt sich bis an die Rückseite des Gebäudes. Dort findet sich eine schattige, hölzerne Porch, die zugleich Baracks Raucherecke war. 2005 veräußerten die Obamas die Wohnung wieder; ihr Wert hatte sich in den zwölf Jahren auf rund 400000 Dollar verdoppelt. Dank der Millioneneinkünfte aus Baracks Buchtantiemen konnten sie sich nun eine Villa einige Straßen weiter mitten im Univiertel leisten.
So viel materielles Glück war damals, kurz nach der Heirat, noch nicht absehbar. Die vier Todesfälle im Umfeld von Verlobung und Hochzeit hatten vielmehr bei Michelle, die eher als Barack zu ernsten Gedanken und auch zum Pessimismus neigt, den Sinn dafür verstärkt, wie leicht Erfolg und persönliches Wohlergehen eines Menschen verloren gehen können. Man müsse das Glück, das einem geschenkt werde, festhalten, folgerte sie. Und die Zeit, die einem gegeben sei, auf die Dinge verwenden, die einem wirklich liegen. «Ich
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