Mick Jagger: Rebell und Rockstar
beim Live-Aid-Konzert 1985 erstmals ausgestrahlt wurde.
Man könnte meinen, dass in den 80ern für die Band alles bestens lief. Hinzu kam, dass Mick der erste Superstar war, der einen Werbeclip für MTV drehte. Im Spätsommer 81 steckte der Sender noch in den Kinderschuhen und suchte fieberhaft nach finanzkräftigen Partnern. Die Gründer des Senders flogen nach Paris, wo Mick damals lebte und arbeitete. Sie baten ihn, in einem Spot für ihr neues Unternehmen aufzutreten, um damit landesweit Investoren anzulocken, die bei ihnen einsteigen und sie unterstützen sollten. Mick lehnte zunächst mit der Begründung ab, dass er generell keine Werbung mache, doch letzten Endes willigte er – für ein symbolisches Honorar von einem Dollar – ein, für einen kurzen Bumper-Spot »I want my MTV« zu sagen. Wenige Monate später war dies bereits ein wesentliches Element jeder Marketingkampagne im Musikbusiness, um die Akzeptanz des MTV-Publikums zu gewinnen, ganz gleich, welchen Status ein Künstler genoss oder in welcher Phase seiner Karriere er sich gerade befand. Noch war ein solches Werbeengagment allerdings mit einem gewissen Risiko verbunden. Ein nicht ganz so pfiffiger Rockstar wie Mick Jagger hätte ein Unternehmen wie MTV möglicherweise als völlig verrückt und aussichtslos eingeschätzt. Da Mick dem Sender seinen Segen erteilt hatte, fanden sich wie erhofft genug Investoren. Als Gegenleistung für seine Geburtshilfe erhielt Mick einen Persilschein. Er war fast vierzig, doch hatte er sich das Wohlwollen des Senders, der voll und ganz auf Teenager ausgerichtet war, gesichert. Schon in den 60er-Jahren waren es die Teenager gewesen, denen die Stones ihren Erfolg zu verdanken hatten. Bildete Mick sich tatsächlich ein, diese Altersgruppe noch weitere zwanzig Jahre bedienen zu können? Es ist unglaublich, aber er hat das tatsächlich geschafft!
Die Hits der 60er spülten inzwischen immer mehr Geld in ihre Kasse. 1983, als die Stones Undercover , ihr nächstes starkes Album herausbrachten, lief ihr 69er-Hit »You Can’t Always Get What You Want« während der Beerdigungsszene des Baby-Boomer-Klassikers Der große Frust , in dem auch einige Motown-Hits zu hören waren. Wenn Mick auch gegen die Einnahmen aus diesen Wiederverwertungen nichts einzuwenden hatte, so ärgerte ihn die Vorstellung, zu den Oldies zu zählen, doch immens. »Ich glaube, MTV hat etwas Großartiges fertiggebracht – auch wenn das eher zufällig geschah. Es hat die ganzen Radiotypen wachgerüttelt und ihnen klargemacht, dass es mehr gab, als die Bands, deren Musik sie rauf- und runterspielten. Die Rolling Stones zum Bespiel«, sagte er noch im selben Jahr in einem Rolling Stone -Interview.
Neben dem frühen Prince (den Keith als Schaumschläger bezeichnete, weil er sich anders als er selbst und andere Wunderkinder wie Stevie Wonder seinen Erfolg nicht von ganz unten beginnend hatte hart erarbeiten müssen) war Mick hingerissen von einigen der späteren Topstars der MTV-Generation. So konnte Mick auch Duran Duran etwas abgewinnen, während sie für Keith alles verkörperten, was verachtenswert war. Die »Fab Five« waren ihm zu hübsch, zu gefällig, in Micks Begeisterung für sie sah er eine Neuauflage jenes Interesses, das er in den frühen 70ern für David Bowie gehegt hatte. Mit dem Punk hatte sich Keith anfreunden können, da der ja nur ein Ableger ihrer eigenen Musik gewesen war, aber New Wave ging ihm schwer auf die Nerven. Er verstand nicht, was Mick an diesem Kinderkram so toll fand oder wie irgendwas davon die Stones weiterbringen sollte.
»Keith hat mit Trends nichts am Hut«, sagte Ron Wood einmal. »Er schert sich nicht um das, was gerade angesagt ist. Keith weiß, was ihm gefällt. Mick hingegen ist immer an allem Neuen interessiert. Unterm Strich ist das für die Band die perfekte Mischung, weil es uns zusammenhält, während es uns gleichzeitig vorantreibt.« Mitte der 80er stand das Vorantreiben in neue Gefilde allerdings im Vordergrund. »Er ließ sich mit solchen Gruppen wie Duran Duran ein«, sagt Bill German, der den Stones-Newsletter Beggars Banquet ins Leben rief und über seine Erfahrungen mit der Band später in Under Their Thumb berichtete. »Das ging Keith wirklich unter die Haut. Er hing mit Paul Young rum. Mein Gott, allein schon dieser Name: Paul Young! Mick suchte die Nähe zu solchen Leuten, und das machte Keith schier verrückt. Mick fürchtete: ›Oh je, die Stones sehen aus wie ein Haufen Rentner.‹ Er wollte
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