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Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Spitz
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Rechtsprechung so sehr nagte, dass sie ihn zum Schreiben bewegte. Zwar befürworteten einige Zeitungsredakteure die Verurteilungen (es waren dieselben, die auch einen obligatorischen Drogentest für Rockstars forderten), die meisten jedoch betrachteten die Verhandlung als Farce, das Produkt einer LSD-Panik, einen modernen Hexenprozess.
    Der berühmteste und einflussreichste Artikel der letztgenannten Kategorie stammt überraschenderweise aus der Feder des konservativen Londoner Times -Redakteurs William Reese-Mogg. In dem Leitartikel mit der Headline »Who Breaks a Butterfly on a Wheel« vom 1. Juli 1967 fasste er die Beweislage knapp zusammen: »Mr. Jagger wurde wegen des Besitzes von vier Tabletten angeklagt, die Amphetaminsulfat beziehungsweise Amphetaminhydrochlorid enthielten; diese Tabletten sind völlig legal in Italien erworben worden.« Anschließend stellt er das vermeintliche Verbrechen in einen neuen Zusammenhang: »Wenn sich der Erzbischof von Canterbury nach seinem Besuch beim Papst am Flughafen von Rom hierzulande nicht zugelassene Tabletten gegen Reisekrankheit gekauft und die unbenutzten Pillen bei seiner Rückkehr mit nach Großbritannien gebracht hätte, wäre er Gefahr gelaufen, sich genau desselben Verbrechens schuldig zu machen. Niemand, der je verreist ist und im Ausland Medikamente erworben hat, die hierzulande nicht zugelassen sind, kann guten Gewissens von sich behaupten, nicht gegen das Gesetz verstoßen zu haben.« Reese-Mogg warf insbesondere Richter Block vor, über das »übliche Strafmaß«, nämlich die »Bewährungsstrafe«, unverhältnismäßig weit hinausgegangen zu sein, während er sich zugleich bemühte, nicht über »die Beweggründe des Richters zu spekulieren, die wir nicht kennen«. Er stellte lediglich die einfache Frage: »Hat Mr. Jagger die gleiche Behandlung erfahren, die ihm zuteil geworden wäre, wenn er nicht berühmt wäre und ohne all die Kritik und die Vorbehalte leben könnte, die mit seiner Berühmtheit einhergehen?« Außerdem machte er einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung – nicht den jungen und empörten, sondern den älteren und gutsituierten – Vorwürfe: »Ihrer Meinung nach hat Mr. Jagger ›seine gerechte Strafe erhalten‹. Ihnen missfällt das Anarchische am Auftreten der Rolling Stones, sie hassen ihre Songs, sie ärgern sich über ihren Einfluss auf die Teenager und unterstellen ihnen ganz allgemein einen dekadenten Lebenswandel … Soziologisch betrachtet sind diese Bedenken durchaus berechtigt und vom emotionalen Standpunkt aus gewiss auch nachvollziehbar, aber das alles hat mit diesem Fall nicht das Geringste zu tun.« Am Ende seines Artikels wies Reese-Mogg auf Parallelen hin, zwischen dem, was den Stones widerfahren ist, und dem Fall Stephen Ward. Ward war verwickelt gewesen in die Profumo-Affäre, den letzten großen britischen Polit-Skandal. Er hatte dem damaligen Staatssekretär im Verteidigungsministerium John Profumo die beiden Callgirls Mandy Rice Davies und Christine Keeler vorgestellt. Später stellte sich heraus, dass Keeler auch eine Affäre mit einem sowjetischen Attaché hatte. Infolge der unablässigen Vorwürfe bezüglich seiner mangelnden Integrität und seines amoralischen Lebenswandels beging Ward Selbstmord. »Es gibt Fälle, in denen eine einzelne Person öffentlich zum Sündenbock für eine allgemeine moralische Fehlentwicklung gemacht wird. Dieser Fall tötete Stephen Ward.« Das hieß, falls Jaggers Verurteilung nicht revidiert werden sollte, würde sich die Öffentlichkeit schuldig machen. Keith Richards wird in Reese-Moggs Artikel übrigens mit keinem Wort erwähnt.
    »Ich saß in meiner Zelle und irgendjemand warf sie [die Times ] durchs Fenster, was im Gefängnis verboten ist«, erinnert sich Mick. Während er den Leitartikel las, fragte er sich, ob er wohl irgendetwas bewirken würde. Zumindest würde er den Lesern bewusst machen, dass auch er ein ganz normaler Mensch war, nicht nur ein Symbol. Mick resümiert: »Er verstieß mit diesem Artikel gegen den allgemeinen Pressekodex, denn er war zweifelsfrei parteiisch. Daran werde ich mich immer erinnern, und ich bin sehr dankbar dafür.« Auch Richards erfuhr in seiner Zelle im Wormland-Scrubs-Gefängnis von dem Artikel. Im Verlauf des Tages zog die Empörung immer größere Kreise, sodass das Gericht schließlich zurückrudern musste. Mick und Keith wurden für die Dauer des Berufungsverfahrens auf Kaution umgehend entlassen. (Die Urteile gegen sie wurden infolge

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