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Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Spitz
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zu viel Acid. Wir hatten uns von der Erfolgswelle einfach mitreißen lassen, dachten, alles, was wir machten, sei lustig, und jeder sollte es hören. Außerdem machten wir es, damit Andrew, der uns gehörig auf die Nerven ging, endlich Leine zog. Denn er hatte dafür überhaupt kein Verständnis. Je stärker unser Drang wurde, ihn loszuwerden, desto mehr reifte unsere Entscheidung, diesen Weg einzuschlagen, um ihn vor den Kopf zu stoßen.« Und so war es keine große Überraschung, dass diesem Mischmasch aus abgehangenen Blues-Riffs, Bläser-Einlagen à la 007, Jug-Band-Blues, Tabla-Rhythmen, Wabersoundeffekten und Bill-Wyman-Gesang auch kein großer kommerzieller Erfolg beschieden war. Glücklicherweise konzentrierte sich die Band bald wieder auf das Wesentliche und war wieder voller Leidenschaft bei der Sache.
    Der nächste Song, den die Stones veröffentlichten, war der erste, der perfekt zu ihrer neuen politischen Folk-Rebellen-Pose passte. »Jumpin’ Jack Flash« basiert auf einem Bassriff von Bill Wyman und einem Wortspiel, das von Keith Richards Gärtner in Redlands, einem gewissen Jack, inspiriert wurde. Der Song markiert den Beginn ihrer Zusammenarbeit mit Jimmy Miller (dem für sie wichtigsten Produzenten) und steht am Anfang ihrer nächsten und wohl auch produktivsten Schaffensphase. »Er handelt von schweren Zeiten und davon, sie hinter sich zu lassen«, sagte Mick über »Jumpin’ Jack Flash«. »Es war einfach eine Metapher dafür, wieder aus diesem ganzen Acid-Sumpf rauszukommen.« Keith Richards bringt das Ganze in seiner unnachahmlichen Art unverblümt auf den Punkt: »Mich kotzten dieser ganze Maharishi-Guru-Scheiß und all die Bänder und Glöckchen langsam an. Gott weiß, wo all das Zeug herkam. Ich glaube, es war eine Reaktion auf das, was wir in unserer Freizeit gemacht hatten, und natürlich auf diese bittere Realität, der wir uns stellen mussten. Hinter den Gittern von Wormland Scrubs hat man genug Zeit zum Nachdenken.«
    »Kein Mensch stirbt für etwas, das in seinen Augen wahr ist«, sagte Oscar Wilde einmal. »Die Menschen sterben für Dinge, die sie wahr haben wollen, von denen ihnen irgendein Schreckgespenst in ihren Herzen einredet, dass sie nicht wahr sind.« »Jumpin’ Jack Flash« erzählt davon, diesem Schreckgespenst in die Augen zu sehen, es als das zu erkennen, was es ist, und dann weiterzuziehen. Darin (und in seinem harten Riff) liegt die Stärke dieses Songs. Zusammen mit dem Regisseur Michael Lindsay Hogg drehte die Band ein Video zu diesem Song. Die Jungs wirken darin völlig verändert, als hätte ihnen jemand eine gehörige Dosis Vitamin B 12 verabreicht. Selbst Brian wirkt darin absolut vital. Sie haben nie cooler ausgesehen als hier: Keith mit seiner Stubenfliegenbrille und Mick mit seiner Kriegsbemalung. Er wusste, dass ein Kampf im Gange war. Und er wusste, dass er mitkämpfen musste. Aber war er bereit, für das zu sterben, was er »wahr haben wollte«? Mitte 1968 fragte sich Mick noch immer, wie er mit der Verantwortung, die zu übernehmen er letztendlich akzeptiert hatte, umgehen sollte. Sollte er sich allen Ärger vom Hals halten oder gezielt danach suchen? Die ganz Welt hielt zu den Stones. Junge Menschen rund um den Globus standen auf ihrer Seite und erwarteten mehr als je zuvor, dass sie ihnen zeigten, wo es langgeht.

    Courtesy of the Cecil Beaton Studio Archive at Sotheby’s
    Mick Jagger, Keith Richards und Brian Jones fliehen vor dem Rummel in ihrer Heimat nach Marokko, 1967.

I WENT
DOWN
TO THE
DEMON-
STRATION
KAPITEL 7

  M  an kann sich das heute nur schwer vorstellen, aber es gab tatsächlich einmal eine Zeit, als sich berühmte Rockstars nicht einfach nur unters Volk mischen konnten, sie mussten es sogar. Zu wichtigen Anlässen erwartete man geradezu, dass sie sich persönlich engagierten; da reichte es nicht, eine großzügige Spende springen zu lassen, nett in die Kamera zu lächeln oder einmal über den roten Teppich zu laufen. Entsprechend ihres Engagements wurde ihre Seriosität eingeschätzt; selbst die Höhe ihrer Plattenverkäufe hing von dem Maß an Glaubwürdigkeit ab, das sie durch ihr politisches Engagement erwarben. Zwischen 1968 und 1979, kurz bevor The Clash in wirklich großen Hallen spielten und Millionen von Platten verkauften, galt ein solches Verhalten als obligatorisch, es war einfach normal. Nur gewissen Rockstars wie David Bowie und Alice Cooper, deren Images darauf basierten, anders zu sein als die anderen, sah man es

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