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Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Spitz
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Coon. »Er rief mich an – er wusste, dass ich gerade selbst in eine Drogenmissbrauchsgeschichte verstrickt war – und bat mich, ihm bei der Organisation einer Demo zu helfen. Wir riefen alle Leute an, die wir kannten, und baten sie, sich am folgenden Abend – einem Samstag – vor dem Verlagsgebäude der News of the World zu versammeln. Unser Ziel war es, die Auslieferung der Sonntagsausgabe von News of the World am darauffolgenden Morgen zu verhindern. Etwa zwei- bis dreihundert Personen folgten unserem Aufruf. Wir legten uns quer über die Fleet Street, um den großen Lieferwagen den Weg zu versperren. Natürlich räumte die Polizei die Straße irgendwann wieder. Daraufhin marschierten wir an der Downing Street Nummer 10 vorbei und rauf nach Whitehall, bis wir um vier Uhr morgens schließlich eine friedliche Mahnwache auf den Stufen unter der Eros-Statue am Picadilly Circus hielten. Die Razzia bei Mick Jagger und Keith Richards war einer der Schlüsselmomente, der die aufkeimende Hippie-Bewegung in Großbritannien am stärksten politisierte. Die Leute demonstrierten aber nicht nur für Stars wie Mick, Keith und Robert Fraser, sondern im Interesse von uns allen; auch die einfachen Leute wurden plötzlich zu leichten Zielen und standen im Fadenkreuz der Ermittler, nur weil sie sich anders kleideten.«
    Der Drogenmissbrauchsprozess, der gegen die Rolling Stones im Juni 1967 vor dem Gericht von Chichester geführt wurde, war einer der ersten modernen Medienprozesse – ein Vorläufer der Verhandlungen gegen Charles Manson, O. J. Simpson, Michael Jackson, Phil Spector und Lindsay Lohan. Es gab so viele Presseberichte darüber (die meisten davon bezogen auf Miss X), dass der mit Robert Fraser befreundete Pop-Art-Künstler Richard Hamilton aus etlichen Zeitungsausschnitten für eine Ausstellung im Jahr 1968 mehrere Collagen unter dem Titel »Swingeing London« schuf. Eines dieser Werke zeigt Mick mit verzerrten Gesichtszügen in einem blassgrünen Samtjackett, der mit Handschellen an den lächelnden Fraser gekettet ist. Zwei nicht gewalttätige Straftäter, aneinandergekettet wie zwei Schwerkriminelle, die der Pressemeute vorgeführt werden. Die Botschaft, die das Establishment damit aussandte, war unmissverständlich: »Spurt gefälligst, oder euch wird es genauso ergehen.« Dank Künstlern wie Hamilton hatten die Stones und ihre Anhänger nun auch eine entsprechende Erwiderung parat: »Das ist absurd und ungerecht.« Eine weitere Collage von Hamilton, für die er mehrere Zeitungsausschnitte verwendete, stellte die Verhandlung als einen Schauprozess dar. Doch nicht nur die Boulevardpresse profitierte von der Anklage. Für all das, was sie durchlitten hatten, wurden die beiden Stones (und später auch Brian Jones) zu Rock’n’Roll-Volkshelden hochstilisiert: Sie polarisierten stärker, hatten einen höheren Nachrichtenwert und waren weitaus interessanter als es sich die Beatles je erhoffen konnten. Das Gefühl des »Sie gegen Uns« war nie stärker gewesen, und die Stones, die tatsächlich einige Zeit hinter Gittern verbrachten, weil sie gegen den Dangerous Drugs Act verstoßen hatten, waren jetzt viel mehr als Popstars: Sie waren potenzielle Märtyrer, wahre Helden.
    Mick und Keith erschienen mit langen Haaren und täglich neuen Outfits vor Gericht, um den zahlreichen Fotografen, die sich im Gerichtssaal tummelten, etwas zu bieten. Die Angeklagten kleideten sich wie die verruchten, dekadenten Popstars, die sie waren. Sie hatten nicht das geringste Interesse daran, den Richter dadurch für sich einzunehmen, dass sie beispielsweise in seriös wirkenden nachtblauen Nadelstreifenanzügen auftraten. »So sind wir«, schienen sie zu sagen. Sie kleideten sich wir reiche Hippies, aber immerhin wie Hippies.
    »Das sind wir – ihr stellt uns alle vor Gericht.« Schilder mit Aufschriften wie dieser hielten Fans bei einer Mahnwache vor dem Gerichtsgebäude hoch. Die Verhandlung schweißte die Londoner Club-Szene zusammen, weil sich ihre Mitglieder nun genötigt sahen, zu handeln und sich zu organisieren. Die Hilfsorganisation Release, die wegen Drogenmissbrauchs unschuldig angeklagte und verurteilte Personen finanziell unterstützte, sammelte für die Stones und andere. The Who, deren Name ebenfalls in dem berüchtigten News of the World- Artikel gefallen war, der die ganze Hetzjagd ausgelöst hatte, spielten in aller Eile Coverversionen der Stones-Songs »The Last Time« und »Under My Thumb« ein (wobei Erstere hervorragend

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