Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge
nicht, dass du diesen Selbstmordofen fährst.«
»Ich bin nicht mehr deine Frau. Ich bin seine.«
Gerade als sie das flüsterte, schaute ich über ihre Schulter und sah Maggie McPherson im Zuschauerbereich sitzen. Ich fragte mich, ob sie meinetwegen hier war oder wegen Freeman.
»Schau«, sagte ich. »Das hat nichts damit zu tun, was …«
»Mr. Haller?«, ertönte hinter mir die Stimme des Richters. »Wir warten.«
»Ja, Euer Ehren«, sagte ich laut, ohne mich umzudrehen. Dann flüsterte ich Lorna zu. »Geh bitte zu Fuß.«
Ich kehrte ans Pult zurück und schlug den Ordner auf. Er enthielt nichts als Rohdaten – über eintausend Namen, jeweils in zwei Spalten pro Seite aufgelistet –, aber ich sah sie an, als hätte ich gerade den Gral überreicht bekommen.
»So, Lisa, dann wollen wir jetzt über Ihr Facebook-Konto reden. Sie haben zu Protokoll gegeben, dass Sie mehr als tausend Freunde haben. Sind Ihnen alle diese Leute persönlich bekannt?«
»Nein, nicht alle. Weil mich so viele Leute über FLAG kennen, gehe ich einfach davon aus, dass der- oder diejenige unsere Ziele teilt, wenn er sich mit mir anfreunden will. Deshalb akzeptiere ich auch jeden als Freund.«
»Dann sind also die Posts an Ihrer Wall einer beträchtlichen Anzahl von Menschen zugänglich, die zwar bei Facebook Ihre Freunde sind, in Wirklichkeit aber vollkommen Fremde. Trifft das den Sachverhalt in etwa?«
»Ja, das ist zutreffend.«
Das Handy in meiner Hosentasche begann zu vibrieren.
»Demnach konnte jeder dieser wildfremden Menschen, der sich für Ihre vergangenen und gegenwärtigen Aktivitäten interessierte, auf Ihre Facebook-Seite gehen und die Posts an Ihrer Pinnwand lesen, sehe ich das richtig?«
»Ja, das sehen Sie vollkommen richtig.«
»So jemand könnte also zum Beispiel in diesem Moment auf Ihre Seite gehen und Ihre Updates rauf und runter scrollen und dort nachlesen, dass Sie im September vergangenen Jahres im Parkhaus der WestLand auf Mitchell Bondurant gewartet haben, richtig?«
»Ja, das ist richtig.«
Ich zog mein Handy aus der Tasche und legte es, das Pult als Sichtschutz nutzend, auf die Ablage. Mit einer Hand blätterte ich die Namensliste durch, mit der anderen rief ich die SMS auf, die ich gerade erhalten hatte. Die Textnachricht war von Bullocks.
Dritte Seite, rechte Spalte, der Fünfte von unten – Don Driscoll. Es gibt einen Donald Driscoll, der mal in der IT-Abteilung von ALOFT gearbeitet hat. Wir sind dran.
Klasse. Jetzt hatte ich etwas, mit dem ich wirklich punkten konnte.
»Euer Ehren, ich würde der Zeugin gern dieses Dokument zeigen. Es ist eine Liste der Personen, die bei Facebook mit Lisa Trammel befreundet sind.«
Freeman, die ihren morgendlichen Triumph gefährdet sah, legte Einspruch ein, aber der Richter gab ihm nicht statt und erklärte ihr, ohne auf meine Entgegnung zu warten, dass sie diese Tür selbst geöffnet habe. Ich gab meiner Mandantin die Liste und kehrte ans Pult zurück.
»Können Sie bitte zur dritten Seite des Ausdrucks gehen und den fünften Namen von unten in der rechten Spalte vorlesen?«
Freeman legte wieder Einspruch ein, mit der Begründung, die Liste sei nicht verifiziert. Der Richter legte ihr nahe, sie bei ihrem zweiten Kreuzverhör anzufechten, wenn sie der Auffassung sei, ich legte ein unzulässiges Beweisstück vor. Ich sagte Lisa, sie könne den Namen vorlesen.
»Don Driscoll.«
»Danke. Ist Ihnen dieser Name bekannt?«
»Eigentlich nicht, nein.«
»Aber er ist einer Ihrer Facebook-Freunde.«
»Ich weiß, aber wie bereits gesagt, kenne ich nicht jeden von ihnen. Es sind einfach zu viele.«
»Gut. Können Sie sich erinnern, ob Don Driscoll jemals direkten Kontakt mit Ihnen aufgenommen und sich als Mitarbeiter einer Firma namens ALOFT zu erkennen gegeben hat?«
Freeman legte Einspruch ein und bat, an die Richterbank kommen zu dürfen. Der Richter rief uns zu sich.
»Was soll das, Euer Ehren? Der Verteidiger kann nicht einfach irgendwelche Namen ins Spiel bringen. Ich verlange ein Beweisangebot, dass er hier nicht einfach mit Darts auf die Liste wirft und sich willkürlich einen Namen heraussucht.«
Perry nickte nachdenklich.
»Da muss ich ihr recht geben, Mr. Haller.«
Mein Handy lag noch auf dem Pult. Falls ich in der Zwischenzeit irgendwelche neue Informationen von Bullocks erhalten hatte, würden sie mir jetzt nicht mehr helfen.
»Euer Ehren, wir könnten in Ihr Zimmer gehen und meinen Ermittler anrufen, wenn Sie möchten. Aber lieber würde
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