Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge
Ihnen?«
»Ich wäre lieber woanders. Wie geht es Ihnen?«
Ich lächelte. Er war von Anfang an pampig.
»Das werde ich Ihnen in ein paar Stunden sagen«, antwortete ich. »Danke, dass Sie heute hierhergekommen sind. Ich meine, einen leichten Ostküstenakzent herauszuhören. Sie sind nicht aus Los Angeles?«
»Ich wurde vor einundfünfzig Jahren in Brooklyn geboren. Dann bin ich zum Jurastudium an die Westküste gekommen, und seitdem bin ich hier.«
»Im Lauf des Prozesses ist immer wieder sowohl Ihr Name als auch der Ihrer Firma gefallen. Sie scheinen den Löwenanteil der, zumindest in diesem County, abgewickelten Zwangsversteigerungen zu bestreiten. Ich wurde …«
»Euer Ehren«, unterbrach Freeman von ihrem Platz aus. »Kommt vielleicht irgendwann einmal eine Frage?«
Perry blickte kurz auf sie hinab.
»Ist das ein Einspruch, Ms. Freeman?«
Sie merkte, dass sie nicht aufgestanden war. In den Treffen vor Prozessbeginn hatte uns der Richter erklärt, dass wir uns erheben müssten, um Einspruch einzulegen. Freeman stand rasch auf.
»Ja, Euer Ehren.«
»Stellen Sie eine Frage, Mr. Haller.«
»Das wollte ich gerade, Euer Ehren. Mr. Opparizio, könnten Sie uns in Ihren eigenen Worten erklären, was ALOFT macht?«
Opparizio räusperte sich und wandte sich direkt an die Geschworenen, als er antwortete. Er war ein versierter und erfahrener Zeuge. Ich musste mich auf einiges gefasst machen.
»Nichts lieber als das. Zunächst ist ALOFT ein Dienstleistungsunternehmen. Große Kreditgeber wie WestLand National beauftragen meine Firma damit, Zwangsversteigerungen von Immobilien für sie durchzuführen. Wir kümmern uns um alles, was dabei anfällt. Das fängt damit an, dass wir die erforderlichen bürokratischen Formalitäten erledigen, und es reicht bis zur Zustellung der Benachrichtigungen und notfalls zu deren Durchsetzung vor Gericht. Alles für einen Pauschalbetrag. Zwangsversteigerungen sind ein unerfreuliches Thema. Jeder von uns strampelt sich auf seinem jeweiligen Level damit ab, seine Rechnungen zu bezahlen und sein Haus zu behalten. Aber manchmal kommt es eben zu Problemen, und dann ist eine Zwangsversteigerung nötig. An diesem Punkt kommen wir ins Spiel.«
»Sie sagen, ›aber manchmal kommt es eben zu Problemen‹. Für Sie ist es doch in den letzten Jahren nicht zu Problemen gekommen. Im Gegenteil, das Geschäft ist sehr gut gelaufen, oder nicht?«
»Unsere Branche konnte in den letzten vier Jahren enorme Wachstumsraten verzeichnen, die sich erst jetzt langsam einzupendeln beginnen.«
»Sie haben WestLand National als einen Ihrer Kunden genannt. WestLand war doch ein wichtiger Kunde, oder?«
»War es und ist es immer noch.«
»Wie viele Zwangsversteigerungen wickeln Sie in einem Jahr ungefähr für WestLand ab?«
»Das kann ich Ihnen aus dem Stegreif nicht sagen. Aber grob geschätzt, dürfte sich das infolge ihrer zahlreichen Standorte im Westen der Vereinigten Staaten auf nahezu zehntausend Fälle belaufen.«
»Würden Sie es für möglich halten, dass Sie in den letzten vier Jahren durchschnittlich mehr als sechzehntausend Fälle pro Jahr für Westland abgewickelt haben? So steht es jedenfalls im Jahresbericht der Bank.«
Ich hielt ihn hoch, damit ihn alle sehen konnten.
»Ja, das ist gut möglich. Jahresberichte lügen nicht.«
»Wie hoch ist die Pauschale, die ALOFT für eine Zwangsversteigerung nimmt?«
»Für Wohnimmobilien nehmen wir zweitausendfünfhundert Dollar, und zwar alles inklusive – selbst wenn wir in einer Sache vor Gericht gehen müssen.«
»Rechnet man das zusammen, bekommt Ihre Firma jährlich vierzig Millionen Dollar von WestLand, richtig?«
»Wenn die Zahlen, die Sie genannt haben, richtig sind, müsste das stimmen.«
»Dem entnehme ich, dass WestLand ein wichtiger Kunde für ALOFT war.«
»Ja, aber uns sind alle unsere Kunden wichtig.«
»Demzufolge müssen Sie Mitchell Bondurant, das Opfer in dieser Strafsache, gut gekannt haben, richtig?«
»Selbstverständlich kannte ich ihn gut, und ich finde zutiefst bedauerlich, was ihm zugestoßen ist. Er war ein guter Mann, der immer versucht hat, sein Bestes zu geben.«
»Ich bin sicher, wir alle wissen Ihr Mitgefühl zu würdigen. Aber zum Zeitpunkt seines Todes war Ihr Verhältnis zu Mr. Bondurant eher gespannt, oder?«
»Ich weiß nicht recht, was Sie meinen. Wir waren Geschäftspartner. Wir hatten von Zeit zu Zeit unsere Differenzen, aber das ist in einer Geschäftsbeziehung etwas völlig
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