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Microsklaven

Microsklaven

Titel: Microsklaven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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müssen, wenn ich zurückkomme.«
    »Klar, Michael.«
    »Danke.« Er warf seinen Computer an. »Ich glaube, ich bereite mich lieber auf die Reise vor. Wo hab' ich denn bloß diese Datei - man könnte meinen, Lucy Ricardo würde meine Daten verwalten. Also, Daniel - reden wir später?« Er suchte etwas unter einem Pappkarton, der ein Milton-Bradley-Memory-Spiel aus den 60ern enthielt.
    Dann sah er zu mir auf und starrte mich mit einem Blick an, der besagte: »Ich möchte jetzt in die kontrollierbare und gefahrlose Welt meines Computers zurückkehren.« So was muß man respektieren, und so ließen der Rest der Meute und ich ihn auf seiner Tastatur klappernd in seinem Büro zurück, in dem Wissen, daß Michael, wie ein hübsches junges Ding, das von irgendeinem Hollywood-Daddy aus einer Kleinstadt in Nebraska weggeholt wird, uns bald verlassen und auf Nimmerwiedersehen in höheren Sphären verschwinden würde.
    M om hat angerufen. Wegen Dad - nachdem er wieder die ganze Nacht nicht schlafen konnte, hat er seine Bürokleidung angezogen und ist wieder in die Garage gegangen, um an seiner Modelleisenbahn zu arbeiten. Wenn sie versucht, mit ihm über seinen Rausschmiß zu reden, ist er plötzlich ganz fidel, wischt das Thema einfach vom Tisch und sagt, sie brauche sich keine Sorgen um die Zukunft zu machen. Mehr ist aus ihm nicht herauszukriegen. Keine Vorstellung davon, wie es weitergehen soll.
    D ad hat angerufen. Von seinem Arbeitszimmer aus. Er wollte wissen, wie die Beschäftigungsaussichten bei Microsoft für jemanden wie ihn seien. Ich konnte es kaum glauben. Jetzt mache ich mir wirklich Sorgen um ihn. So eine idiotische Frage. Das muß der Schock sein.
    Ich sagte ihm, er solle sich entspannen, wenigstens ein paar Tage lang noch nicht mal ansatzweise über so etwas nachdenken, so lange, bis der Schock abflaut. Er tat sehr verletzt, als hätte ich versucht, ihn abzuwimmeln. Er stand völlig neben sich. Ich versuchte ihm zu erklären, was Karla mir gesagt hatte, daß die Leute in den Fünfzigern jetzt erst in die Benutzerfreundlichkeitskurve der neuen Technologien einsteigen, aber er wollte nicht hören. Das Gespräch endete mit einem Mißklang, und das wurmte mich, aber mir fiel nichts Pragmatisches ein, was ich ihm sonst hätte sagen können.
    I ch fuhr zu Uwajima-Ya und kaufte ein paar UFO-Yaki-Soba-Nudeln, die Sorte, die man direkt in dem kleinen Plastikschälchen mit heißem Wasser aufgießt. Inmitten all des Lunch-mit-Bill-Trubels gelang es Karla und mir, zusammen zu essen. Ich fragte sie, was ihre sieben Traumkategorien bei Jeopardy! wären und zählte ihr die von allen anderen auf. Sie dachte darüber nach, während sie die Yaki-Soba-Nudeln in dem kleinen Plastikschälchen umrührte, und dann sagte sie, das wären:
     
    • Obstbäume
    • Labrador-Hunde
    • die Geschichte der Telefonstreiche
    • Kriminalromane
    • Intel-Chips
    • was HAL in 2001 sagt und
    • »Meine Eltern sind Psychopathen«
    D ann sagte sie: »Dan, ich habe eine Frage zum Thema Identität für dich. Hier ist sie: Was unterscheidet eine Person mehr als alles andere von jeder anderen Person?« Ich war kurz davor, mit einer Antwort herauszuplatzen, aber es kam nichts.
    Zuerst schien die Frage so einfach, aber als ich darüber nachdachte, erkannte ich, wie schwierig sie ist - und irgendwie deprimierend, denn es gibt wirklich nicht sehr viel, was die Menschen voneinander unterscheidet. Ich meine, was unterscheidet eine Stockente von allen anderen Stockenten? Was unterscheidet einen Grizzlybären von allen anderen Grizzlybären? Identität ist so fragil und läßt sich an so wenig festmachen, wenn man es sich genau überlegt. »Die Persönlichkeit?« antwortete ich lahm. »Die, äh, Seele?«
    »Vielleicht. Ich glaube, ich fange langsam selber an, an die Seelentheorie zu glauben. Im Juni war ich beim Zehnjahrestreffen meiner High-School. Natürlich waren meine Mitschüler im Laufe des Jahrzehnts körperlich gealtert, aber die Essenz eines jeden war im Grunde noch die gleiche wie damals im Kindergarten. Ich glaube, die Seele war gleichgeblieben. Dana McCully war immer noch aufgeblasen und affektiert, Norman Tillich war immer noch ein tumber Macho, Eileen Kelso war immer noch erschreckend naiv. Ihre Körper sahen vielleicht anders aus, aber unter der Oberfläche waren sie die alten geblieben. An jenem Abend habe ich erkannt, daß die Menschen tatsächlich eine Seele haben. Es ist dumm, so etwas zu glauben. Ich meine, für jemanden wie mich, der

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