Microsklaven
so viele Berater«, sagte Mom. »Es heißt immer, wenn man entlassen wird, kann man Berater werden, aber dein Vater ist 53, Dan. Er ist nicht mehr jung, und er ist nicht der Typ, der sich gut gegen Konkurrenten durchsetzen kann. Ich meine, schließlich war er bei IBM. Wir wissen einfach nicht, wie es weitergehen soll.«
I ch rief ein Reisebüro in Bellevue an und orderte per Visacard ein Ticket nach San Jose. Ich ließ die E-Mail aus und versuchte mich auf die nächtlichen Belastungstests zu konzentrieren, aber mein Gehirn war leer. Über Nacht war das Programm zweimal abgestürzt - immer noch Pannen, so kurz vor dem Liefertermin!
Ich suchte Zerstreuung, indem ich auf den Korridoren herumlief, aber irgendwie hatte sich die Welt verändert. Michael war in Cupertino (mit meinem Koffer), Abe war nicht in seinem Büro ... Er hatte sich für einen Tag aus dem Staub gemacht und segelte mit irgendwelchen reichen Freunden im Puget Sound; Bug war seit dem Frühstück komisch drauf und hatte einen Post-It-Zettel mit der Aufschrift »Verpiß dich« an seine Tür geklebt; Susan war heute zu Hause geblieben, um die Aktienparty vorzubereiten. Und Karla, der einzige andere Mensch, den ich sehen wollte, war nicht in ihrem Büro. Ich lehnte mich über das Geländer des Atriums und blickte auf die in Vitrinen ausgestellte Kunst und die überarbeiteten Nerds, die unten auf den Sofas herumlagen, als Shaw vorbeikam. Wenn er mich auf den Liefertermin ansprach, mußte ich unheimlich forsch tun und vor Energie sprudeln. Er sagte, Karla sei mit Kent weg, um irgendeine Marketingsache zu erledigen, und mir schoß der Gedanke durch den Kopf, daß ich Kent umbringen wollte, was irrational ist und mir gar nicht ähnlich sieht.
D ann degenerierte der Tag zu einem »Tausend-Dollar-Tag«. So nenne ich die Tage, an denen, selbst wenn du allen Leuten, die du kennst, sagst: »Ich gebe dir einen druckfrischen Tausend-Dollar-Schein, wenn du mich dafür anrufst und von meinem Elend erlöst«, das Telefon trotzdem nicht klingelt. Ich bekam nur 18 E-Mail-Nachrichten, und die meisten davon waren Müll. Die WinQuote schwankte nur um Pennies. Niemand wurde reich, niemand wurde arm.
U ngefähr um 15:00 fing es an zu regnen, und ich ging auf dem Campus umher und fühlte mich elend. Ich schaute mir all die Wagen auf dem Parkplatz an und geriet allein dadurch in einen Erschöpfungszustand, daß ich daran dachte, wieviel Energie diese Leute verbraucht hatten, um genau das richtige Auto auszusuchen. Und außerdem fiel mir etwas Twilight-Zone -haftes an den Wagen auf dem Campus auf: Keiner hat einen Aufkleber, als ob alle sich selbst zensierten. Ich glaube, das deutet auf irgendwelche Ängste hin. All diese kleinen Ängste: die Angst, nicht genug zu produzieren; die Angst, keinen kleinen weißen Umschlag mit rotem Aufdruck drauf und Aktien-Vorkaufsrechten drin in seinem Fach zu finden; die Angst, das Gefühl zu verlieren, überhaupt produktiv zu sein; die Angst vor dem langsamen Abbau der Sozialleistungen innerhalb der Firma; die Angst, daß die Wachstumsjahre nie wiederkommen; die Angst, daß der Umsatz das einzige ist, was den ganzen Prozeß antreibt; die Angst, entbehrlich zu sein ... Mein Gott, hör dir das an. Das macht einen fertig. Aber manchmal denke ich, es wäre um einiges leichter, die Tupperware-versiegelte, Biosphere-2-artige Atmosphäre von Microsoft hinter sich zu lassen und in Lynwood Espresso zu zapfen. Und das brachte mich auf einen Gedanken: Ich sah mich um und stellte folgendes fest: Wenn man all die lebende Materie auf dem Campus sortieren und ihre Biomasse analysieren würde, käme dabei heraus:
• 38% Kentucky-Bluegrass-Rasen
• 19% menschliche Wesen
• 0,003% Bill
• 8 % Douglas- und Balsamtannen
• 7 % rote Zedern
• 5 % Schierlinge
• 23 % Sonstiges: Krähen, Birken, Insekten, Würmer, Mikroben, Nerd-Aquariumfische, Zierpflanzen am Empfang ...
B in früh nach Hause gegangen, um 17:30, und niemand war da. Susan hatte fürs Büfett zwei Klapptische im ansonsten leeren Eßzimmer aufgestellt. Abe hatte Susan seine heilige Dolby-THX-Anlage für die Party geliehen und dazu seine beiden Adirondack-Stühle aus alten Skiern. Das Zimmer sah immer noch ein bißchen kahl aus. Es war wie Der Tag ohne Menschen.
B ei Einbruch der Dunkelheit ging es langsam los. Abe kam vom Segeln zurück, hörte laut alte Human-League-Stücke und sang unter der Dusche mit. Susan kam mit Taschen voller Essen vom Partyservice zurück, und ich half
Weitere Kostenlose Bücher