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Microsklaven

Microsklaven

Titel: Microsklaven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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logisch denkt.«
    A ls nachmittags die Realität wieder einkehrte, kam Shaw, mein »Boß«, zum Händchenhalten vorbei. Shaw hat eine Lebensstellung. Wenn man alle Programm-Manager einen nach dem anderen feuern würde, müßte er als letzter gehen - er hat vierzehn direkte Untergebene (Sklaven) unter sich. Shaw wünschte sich wirklich, ich hätte ein saftiges Problem, damit er mir dabei helfen könnte, aber das einzige Problem, das mir einfiel, war, daß wir den Liefertermin in sieben Tagen niemals schaffen würden, jetzt, wo auch noch Michael weg war und wir alle noch mehr zu tun hatten. Doch dieses Problem war ihm nicht saftig genug, also machte er sich auf die Suche nach einem Mitarbeiter mit exotischeren Sorgen. Shaw ist einer von vielleicht zwölf Leuten über Vierzig auf dem Campus. Jemanden, der in den Vierzigern ist und immer noch im Computerbusineß, muß man respektieren, wenn auch widerwillig, denn dann ist er so ein eingefleischter Techie, daß man einfach Achtung vor ihm haben muß. Shaw hat noch die Fred-Feuerstein-Ära der Computer miterlebt, mit Lochkarten und kleinen Vögeln in den Maschinen, die »It's a living« piepsten.
    Mein einziges Problem mit Shaw ist, daß er Manager geworden ist und mit dem Kodieren aufgehört hat. Das Managerdasein besteht nur aus Händchenhalten und Papierkram und ist überhaupt nicht kreativ. Respekt basiert darauf, ob man ein richtiger Techie ist oder nicht und wieviel man kodiert. Entweder Manager kodieren, oder sie tun es nicht, und scheinbar gibt es heute viel mehr Manager, die es nicht tun. IBM läßt grüßen.
    Shaw hat mir im Halbjahres-Leistungszeugnis des letzten Monats sogar eine ganz gute Beurteilung verpaßt, also habe ich keinen Grund, auf ihn sauer zu sein. Und um ehrlich zu sein: In diesem Büro herrscht immer noch keine Hierarchie. Derjenige, der zu einer Entscheidung die meisten sachdienlichen Informationen beisteuern kann, trifft die Entscheidung. Aber wenn's um die Wurst geht, bin ich immer noch der Doofe.
    Außerdem ist Shaw ein Babyboomer, und er und seinesgleichen sind verantwortlich für das sogenannte »Unitape« (ich muß jetzt mal ein bißchen motzen) - eine Endlosschleife mit Fahrstuhl-Jazz, die bei Microsoft einfach überall läuft. Das ist extrem nervtötend, und es springt einen so eine blöde »Wir sind nicht wie unsere Eltern, wir scheißen auf die Konventionen«-Haltung daraus an. Eines Tages wird dieses Tape alle in der Firma, die unter Dreißig sind, in einen Mob durchgeknallter Postarbeiter verwandeln, die mit Scheren und Bic-Feuerzeugen durchs Verwaltungsgebäude toben.
    H abe WinQuote gecheckt: Im Laufe des Tages sind die Aktien um 85 Cents gefallen. Das bedeutet, Bill hat heute 70 Millionen Dollar verloren, wohingegen ich so gut wie gar nichts verloren habe. Aber wer wird wohl besser schlafen können?
    W ir haben bis 1:00 morgens geschuftet, und dann habe ich Karla und Todd nach Hause gefahren, nach einem kurzen Abstecher zu Safeway, um was zum Naschen einzukaufen. Als wir an der Kasse unsere Sour Strings und Nektarinen bezahlten, ergab sich die übliche Nerd-Diskussion über die Zukunft des Computerwesens.
    Karla sagte: »Man kann die Erfindung des Rades, des Radios oder eben des Computers nicht rückgängig machen. Wenn wir schon lange tot sind, werden Computer immer noch weiterentwickelt werden, und früher oder später - das ist keine Frage des Ob, sondern des Wann - wird ein ›Etwas‹ geschaffen, das eine eigene Intelligenz hat. Wird das in zehn Jahren geschehen? In tausend Jahren? Wann auch immer - das Etwas läßt sich nicht mehr aufhalten. Es wird geschehen. Man kann es nicht rückgängig machen.
    Die entscheidende Frage ist: Wird dieses Etwas irgendwas anderes als menschlich sein? Die Anhänger der künstlichen Intelligenz räumen zwar ein, daß es ihnen nicht gelungen ist, durch das Reproduzieren der menschlichen logischen Prozesse Intelligenz zu erzeugen. Doch sie hoffen, Programme zu schaffen, die eine genaue Abbildung des Lebens sind und sich miteinander fortpflanzen. Sie wollen eine Evolution simulieren, die normalerweise Millionen von Jahren dauert, indem sie diese Programme miteinander kreuzen und so schließlich Intelligenz erzeugen - ein Etwas. Aber wahrscheinlich kein Etwas nach dem Vorbild menschlicher Intelligenz.« Ich sagte: »Aber, Karla, wir sind doch nun mal Menschen. Wir kennen nur unsere eigenen Hirne - wie können wir irgendwas über eine andere Intelligenz wissen? Was könnte das Etwas denn sonst

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