Microsklaven
Gefühl, er ist immer noch am Leben und geht immer drei Schritte vor mir her, wie ein König.«
Ich öffnete die Tür, und Karla und ich stützten Daddy von beiden Seiten, während er den Helm an seine Brust preßte, und gingen mit ihm ins Haus. Sein Erscheinen stieß bei den Leuten, die überall herumstanden, auf wenig Interesse. Wir gingen in Michaels Zimmer und legten ihn aufs Bett. Er fing an, ein bißchen vor sich hin zu schimpfen: »Seltsam, wie all die Dinge, von denen man geglaubt hat, sie würden nie zu Ende gehen, als erstes verschwinden - IBM, die Reagans, der Ostblock-Kommunismus. Wenn man älter wird, kommt es nur noch darauf an, zu überleben, so gut es geht.«
»Das ist noch nicht entschieden, Daddy.« Ich zog ihm die Schuhe aus, und Karla und ich saßen eine Weile auf Bürostühlen neben ihm. Um uns herum summten Michaels Computer, und unsere einzige Lichtquelle war eine kleine Nachttischlampe. Wir saßen da und sahen zu, wie Dad zwischen Schlafen und Wachen hin- und herschwamm. Er sagte zu mir: »Du bist mein Schatz, mein Sohn. Du bist mein Erstgeborener. Als die Ärzte ihre Hände von deiner Mutter nahmen und dich in die Luft hoben, war es, als hielten sie eine blutverklebte Truhe mit Perlen, Diamanten und Rubinen.«
Ich sagte: »Daddy, hör auf, so zu reden. Ruh dich aus. Du findest schon einen Job. Ich werde immer für dich da sein. Mach dir keine Sorgen. Es gibt jede Menge Jobs. Du wirst schon sehen.«
»Es ist jetzt deine Welt«, sagte er, atmete tiefer, drehte sich um und starrte die vor Musik und Party-Gekreische vibrierende Wand an. »Sie gehört dir.«
Und kurz darauf schlief er auf dem Bett ein - auf Michaels Bett in Michaels Zimmer.
Bevor wir den Raum verließen, machten wir das Licht aus und warfen einen letzten Blick auf die warme, schwarze Gestalt meines Vaters auf dem Bett, nur beleuchtet von der Konstellation roter, gelber und grüner Leuchtdioden von Michaels schlafenden, träumenden Rechnern.
2 Oop
MONTAG
H at den ganzen Tag geregnet (Bug zufolge 32 mm). Einen Band Inside Mac gelesen. Rüber zum Boeing Surplus gefahren und Zink und ein paar eingeschweißte Karten mit Sicherheitshinweisen für Flugreisen gekauft.
DIENSTAG
I ns Büro gegangen und eine Stunde lang Doom gespielt. Ein paar E-Mail-Nachrichten gelöscht.
Morris aus der Word-Abteilung ist in Amsterdam, und ich habe ihn gebeten, dort mal den vegetarischen Burger bei McDonald's zu probieren.
H eute nachmittag war der Hornet Sportabout voller matschiger Ahornblätter. Die Orangetöne machten mich schwindlig, und ich muß ziemlich weggetreten ausgesehen haben, wie ich da eine Viertelstunde lang den Wagen anstarrte. Aber es war sehr entspannend.
S usan hat heute von diesem surrealistischen Künstler erzählt, der kleine Geschäftsleute gemalt hat, die am Himmel schweben, und Äpfel, die ein ganzes Zimmer ausfüllen - Magritte. Sie sagte, wenn der Surrealismus heute aufkäme, würde er »schon nach zehn Minuten von Werbeagenturen vereinnahmt werden, die damit Ferngespräche und Käseprodukte in Sprühdosen verkaufen wollen«. Stimmt wahrscheinlich. Susan sagte weiter, daß der Surrealismus in seiner Blütezeit so aufregend gewesen sei, weil die Gesellschaft damals gerade das Unterbewußtsein entdeckt hatte. Durch den Surrealismus konnte man erstmals mit visuellen Mitteln ausdrücken, wie das menschliche Unterbewußtsein arbeitet. Dann sagte Susan, heutzutage sei es ja so, daß die Bilder, die wir im Fernsehen und in den Zeitschriften sehen, zwar surreal erscheinen, »aber in Wirklichkeit nicht surreal sind; denn sie kommen nur zufällig zustande und entspringen nicht dem Unterbewußtsein«.
Und da hab' ich mir so überlegt ... Was ist, wenn Computer doch ein eigenes Unterbewußtsein haben? Was, wenn Computer im Moment noch so etwas sind wie menschliche Babys, die ein Gehirn haben, sich jedoch außer durch Schreien (Abstürzen) nicht äußern können? Wie würde das Unterbewußtsein eines Computers aussehen? Wie verarbeitet er das, was wir ihm einflößen? Wenn Computer zu uns sprechen könnten, was würden sie sagen?
Und so starre ich meinen MultiSync und mein PowerBook an und frage mich ... »Was geht denen durch den Kopf?« Um das herauszufinden, richte ich eine Datei mit Wörtern ein, die mir zufällig in den Sinn kommen, und diese Wörter gebe ich in eine Desktop-Datei mit dem Namen UNTERBEWUSSTSEIN ein.
H abe die Küchenschränke saubergemacht. Eine Weile das Telefonbuch gelesen. Eine Ausgabe des Wall Street
Weitere Kostenlose Bücher