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Microsklaven

Microsklaven

Titel: Microsklaven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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erwarten. Habe meine Aufzeichnungen via E-Mail an Abe geschickt.
     
    »29 Schritte: Mein Ausflug
    zum
    Interactive-Multimedia-Seminar«
    von Daniel Underwood
     
    1)
    Es gibt Menschen, die glauben, Interaktivität unterbinde die Aufhebung der kritischen Distanz.
     
    2)
    Die Leute, die »Multimedia-Seminare« besuchen, sind andere als die, die Spiele designen. Sie tragen gebügelte Hemden, sie schleppen nagelneue lederne Diplomatenkoffer mit sich herum, sie sind unendlich ernst, und sie sehen aus, als würden sie bei Prudential-Bache oder Kidder-Peabody arbeiten. Noch bluffen diese Anzugtypen nur, aber schon bald werden sie kapieren, »worum es geht«, und zu »Visionären« werden.
     
    3)
    Erzählungen (Geschichten) haben üblicherweise einen endgültigen Schluß (im Gegensatz zum Leben); deshalb mögen wir Filme und Literatur - wegen dieser Abgeschlossenheit , weil sie ein Ende haben.
     
    4)
    Bislang werden die Möglichkeiten von Multimedia vielleicht nur zu einem Bruchteil ausgeschöpft - Milton Bradley, Parker Brothers oder Hasbro werfen beispielsweise massenhaft Computerspielversionen von der Partridge Family, The Banana Splits und Zoom auf den Markt.
     
    5)
    Durch Interaktivität versucht man, Leuten, die sonst keine eigenen Werke zustande bringen, eine »Illusion der Urheberschaft« zu vermitteln. Gedanke: Vielleicht entspricht das Bedürfnis, Geschichten erzählt zu bekommen, dem Bedürfnis nach Sex. Wenn man eine Geschichte hören will, will man eine Geschichte hören - passiv sein, sich am Kamin zurücklehnen und zuhören. Man will die Geschichte nicht selber schreiben.
     
    6)
    Gerade ist etwas total Krankes passiert: Ich schaute kurz hoch, und die anderen haben alle an den kleinen Pickeln auf ihrer Stirn gepult, und jetzt bluten sie alle! Wie Stigmen sieht das aus. Echt eklig. Sogar Karla.
     
    7)
    »In der Software-Industrie herrscht eine endemische Unfähigkeit, den Zeitaufwand einzuschätzen, der für ein Software-Projekt zu veranschlagen ist.« (*STIMMT!*)
     
    8)
    Vernetzte Spiele, bei denen man gegeneinander spielen kann, sind superangesagt, weil man kein Geld auf die Entwicklung künstlicher Intelligenz verschwenden muß. Die Spieler liefern die KI gratis.
     
    9)
    Die 8 Modelle der Interaktivität (die mir bekannt sind)
    i) Das Spielhallen-Modell
    Wie bei Terminator: Töte, oder du wirst getötet.
    ii) Das Bildband-Modell
    Man kann ein- bzw. aussteigen, wo man will; alles in allem witzlos, Wiederspielbarkeitsfaktor gleich Null.
    iii) Das Modell »Erschaffung des Universums«
    Ich habe dich geschaffen, und ich kann dich jederzeit wieder vernichten.
    iv) Das Binärbaum-Modell
    Beschränkte Auswahlmöglichkeiten, von links nach rechts zu lesen, rigide konstruierte Minidramen.
    v) Das »MultipIe-Choice«-Modell
    Knutscht unser Held mit Heather Locklear oder nicht - du entscheidest! Teuer. Zweifelhafter Unterhaltungswert. Das Publikum bezahlt schließlich nicht, um zu arbeiten.
    vi) RS (Rollenspiele)
    Für Jugendliche: Halbfertige Persönlichkeiten (in Rudeln) auf der Suche nach Identität.
    vii) Das Agatha-Christie-Modell
    Ein Rätsel ist auf verschiedenen Ebenen und mit Hilfe von Anhaltspunkten, Verfolgungsjagden und Nachforschungen zu lösen.
    viii) Erlebnis-Simulationsmodelle
    Sport- und Flugsimulatoren.
     
    10)
    Ich frage mich, ob wir die Kraft von Büchern nicht zu sehr romantisieren.
     
    11)
    Einige Hollywood-Studios versuchen, Autoren reinzulegen, indem sie Multimedia-Rechte im Kleingedruckten der Verträge verstecken. Das ist intellektuelle Schleppnetzfischerei. Die Studios behaupten, sie gingen »seit eh und je« so vor ... Was voraussetzt, daß seit Juli »seit eh und je« ist.
     
    12)
    Durch die exorbitanten Produktionskosten von Multimedia-Spielen müßte den kleinen Firmen eigentlich der Zugang zum Markt verwehrt sein, aber mir fällt auf, daß es die kleinen Firmen sind, die all die »Hits« herausbringen. Hoffnung für Oop!
     
    13)
    Karla und ich haben in der Mittagspause eine ziemlich cool aussehende Frau kennengelernt: Irene. Mit der haben wir noch einen Kaffee getrunken, bevor es nachmittags mit dem Seminar weiterging. Es stellte sich heraus, daß sie Visagistin für Multimedia-Filme ist und gerne selbst welche produzieren würde. Karla sagte: »Meine Güte, du siehst echt müde aus«, und sie antwortete: »Naja, schließlich arbeite ich seit zwei Wochen jeden Tag zwei Schichten.«
    Daraufhin fragte ich sie: »Was für Sachen filmt man denn für Multimedia-Spiele?«, und sie

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