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Microsklaven

Microsklaven

Titel: Microsklaven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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»Ja?!«
    Dann sagte er: »Naja, eigentlich nein.«
    »Ethan, was verdammt noch mal läuft hier eigentlich?« fragte ich.
    »Sei doch nicht so spießig, Dan. Du mußt das große Ganze sehen.«
    Der Ferrari überholte etwa acht Autos auf einen mörderischen Schlag. Ich wollte nicht für spießig gehalten werden. »Ich bin nicht spießig, Ethan«, sagte ich. »Ich etwa?«
    »Das ist nicht der Punkt.«
    »Hör auf, so linear über Geld zu denken. Sei horizontal. Es ist alles in Ordnung.«
    I ch habe Mom gefragt, was sie von Karla hält, und sie antwortete, sie finde sie »reizend«. Klang ein bißchen gezwungen.
    K eine Grippesymptome bisher.

MITTWOCH
    H eute war das Essen.
    Karla war durch die Grippe ein bißchen angeschlagen, aber sie raffte sich trotzdem auf. Sie, Mom und ich gingen im Empire Grill and Tap Room Mittag essen. Als wir eintraten, standen da zwei Blindenhunde und ein blinder Mann und eine blinde Frau beieinander. In Sekundenschnelle hockte Mom auf dem Fußboden und plauderte mit den Hunden. Dann quetschte sie die Hundebesitzer aus: »Verbringen Sie viel Zeit miteinander? Können sich Ihre Hunde gegenseitig besuchen? Sie wären bestimmt froh, wenn sie einander ein bißchen Gesellschaft leisten könnten, wissen Sie.« (Meine Mutter, die Kupplerin.) Die beiden Hundebesitzer lachten und sagten: »Das kann man wohl sagen - wir sind schließlich verheiratet.« Mom rief aus: »Oh, wie wunderbar, dann können die beiden ja miteinander über ihren Job reden!« (Mom ist eine echte Silicon-Valley-Pflanze - sie ist hier aufgewachsen, unten in Sunnyvale.) »Meine Güte, Sie müssen Misty kennenlernen ...« Sie rannte hinaus zum Auto, um Misty zu holen, und schon bald beschnüffelten sich die drei Hunde. Ich mußte dringend was essen, aber Mom und die beiden Blinden waren schwer in ein Hundegespräch vertieft. Ich ging raus zu Mac's und kaufte die San Jose Mercury News. Als ich zurückkam, waren sie immer noch da und lachten. Sie tauschten Visitenkarten aus, und als ich Mom hinterher fragte, worüber sie gelacht hätten, sagte sie: »Wir haben versucht, uns vorzustellen, was wohl die ungeeignetste Blindenhundrasse wäre, und kamen auf den ›Blinden-Whippet‹ - der würde einfach in den Verkehr hineinstolzieren ... Ist das nicht zum Schießen? Vielleicht kannst du daraus ein Videospiel machen, wie das Pong-Spiel, mit dem wir damals zu Weihnachten so viel Spaß hatten.«
    Wie für die meisten Leute ihres Alters wird Pong auch für Mom die einzige Videospielerfahrung ihres Lebens bleiben. Tragisch.
    B ei Tisch kam Mom allen Konversationsversuchen unsererseits zuvor, indem sie gleich von Michael anfing. »Manchmal glaube ich, Michael ist ähmmm - Autist.« Sie errötete: »Also, ich will damit nur sagen - na ja - ist euch das auch aufgefallen?«
    »Michael ist nicht wie andere Menschen«, sagte ich. »Er zieht sich in seine eigene Welt zurück - manchmal für mehrere Tage hintereinander. Vor ein paar Monaten hat er sich in seinem Büro eingeschlossen, und wir mußten ihm Essen unter der Tür durchschieben. Seitdem ißt er nichts mehr, was man nicht unter einer Tür durchschieben kann.«
    »Ach so, daher die Kraft-Scheibletten. Ganze Kartons voll.« Karla, durch die Grippe immer noch auf Sparflamme, mischte sich ein: »Wissen Sie, Mrs. Underwood, ich glaube, alle Techies sind leicht autistisch. Haben Sie schon mal was von Dyspraxie gehört? Michael ist phasenweise stumm.«
    »Nein.«
    »Dyspraxie ist folgendes: Sagen wir, ich würde Sie bitten, mir die Zeitung da zu geben. Es gibt überhaupt keinen Grund, weshalb Ihnen das unmöglich sein sollte. Doch wenn Sie Dyspraxie hätten, wären Sie blockiert und würden nur wie erstarrt dasitzen. Dyspraxie ist eine Krankheit, die einem die Fähigkeit zum Handeln nimmt.«
    »Dann ist jeder ein Dyspraktiker, meine Liebe. Das nennt man Saumseligkeit.«
    »Genau. Nur daß Geeks noch ein bißchen anfälliger dafür sind als die meisten anderen Leute. Autismus ist eine gute Methode, die ganze Welt auszublenden und sich nur noch auf die Arbeit zu konzentrieren, mit der man gerade beschäftigt ist.« Ich fügte hinzu, daß Michael manchmal auch das genaue Gegenteil eines Dyspraktikers ist. »Wenn er eine Idee hat, dann führt er sie auch aus. Aber er muß es sofort tun - wie im Falle unserer Firma oder eines besonders eleganten Codes. In ihm vereinen sich die beiden Extreme.«
    Karla meinte weiter: »Die Türen in Michaels Gehirn stehen für gewisse Dinge weit offen, während sie

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