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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
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ich es. Ist es nicht
    gespenstisch, wie das Leben spielt? Wie unsere Wünsche es formen; selbst die, die nicht gut für uns sind?«
    Eine Möwe landete frech vor unseren Füßen, äugte
    auffordernd zu uns hoch und stolzierte, als wir nicht reagierten, beleidigt davon.
    »Warum erzählen Sie mir das?«, fragte Finnan.
    Ich sah ihn an, wollte es ihm sagen, aber als ich versuchte, es zu formulieren, fiel mir nichts ein. Es war mir in dem Moment wichtig gewesen. Aber ich konnte nicht erklären, warum.
    Das habe ich schon immer gehasst: dazusitzen und etwas
    sagen zu müssen, aber nicht zu wissen, was.
    »Ich werde kommen«, sagte ich stattdessen. »Montag.«
    254
    Er musterte mich einen langen Augenblick lang, dann
    schien er mit der Antwort zufrieden zu sein. Er nickte kurz, stand auf und ging davon, ohne sich noch einmal umzusehen.
    255
    Was nützen einem Menschen achtzig Jahre, die er unnütz vertan hat? Er hat sie nicht wirklich gelebt, er hat sich nur im Leben aufgehalten, und er ist nicht spät gestorben, sondern hat lange Zeit dazu gebraucht.
    Seneca, EPISTOLAE MORALES

17
    Die meisten meiner Erinnerungen an die anderen verbinden sich mit unserer Zeit im Wood Man Camp. Dabei waren wir dort nur ein paar Wochen lang, drei Monate höchstens, und das ist schon großzügig gerechnet. Doch im Rückblick scheint diese Periode ewig gedauert zu haben.
    Wir wussten damals in groben Zügen, was auf uns wartete, hatten die entsprechenden Verpflichtungen unterschrieben und so weiter und waren in diesen Stützpunkt inmitten uralter Wälder gebracht worden. Wir trainierten, um in Form zu
    bleiben, und wurden immer wieder neuen Untersuchungen
    unterzogen, mit Geräten, die keiner von uns je zuvor im Leben gesehen hatte. Außer Ärzten und Soldaten waren auch jede Menge bebrillter Jungs anwesend, die die Brusttaschen ihrer weißen Hemden mit Kugelschreibern und Taschenrechnern
    voll hatten und kein Wort mit uns redeten, immer nur mit den Medizinern. Im Zentrum des Stützpunkts gab es einen
    Sicherheitsbereich, zu dem nicht einmal wir Zutritt hatten, nur die Jungs mit den Brillen, und ich nehme mal an, dass dort den technischen Entwicklungen, in deren Genuss wir kommen
    sollten, der letzte Schliff verpasst wurde.
    Man erzählte uns einstweilen nur das unbedingt Notwendige, und gegen diese Regelung hatten wir auch überhaupt nichts einzuwenden, denn sie war die Voraussetzung dafür, dass wir Ausgang bekamen, und das jeden Abend, einen Fahrdienst
    inbegriffen. Die Straße zum Stützpunkt war militärischem 256
    Personal vorbehalten, ging ein paar Meilen durch den Wald, und dann begann die Stadt, groß, lärmend, hässlich, voller bunter Verheißungen, Kinos, Restaurants, Diskotheken, Bars und Bordellen. In den Kinos lief Rain Man und Die Hard; in den Restaurants gab es Spareribs in Portionen, von denen selbst Stephen und Jack satt wurden; in den Diskotheken waren wir, groß, stark und in Uniform, die Helden; in den Bars warteten die liebeshungrigen Sekretärinnen und Kassiererinnen der Stadt darauf, von uns abgeschleppt und beglückt zu werden; und die Bordelle... nun, eigentlich hatten wir die nicht wirklich nötig, aber nichts verbindet nun mal eine Männerclique so sehr, wie zusammen nackt auf einem riesigen Bett zu liegen,
    nacheinander dieselbe Frau zu besteigen und dabei von den anderen angefeuert zu werden.
    Ich glaube, das war auch der heimliche Hintergedanke dieses Arrangements. Wir sollten uns als Gruppe zusammenraufen
    und die Hackordnung ein für alle Mal klarstellen, um uns nachher ohne weitere Ablenkungen auf die Herausforderungen konzentrieren zu können, die auf uns warteten.
    Denn als die Untersuchungen und Vermessungen unserer
    gesegneten Körper beendet waren, ging es weiter, in
    unwegsame Einsamkeit diesmal, ins Steel Man Hospital. Dort war ringsum hundert Meilen Wüste und Geheimhaltung, und
    von nun an war Enthaltsamkeit angesagt. Von nun an waren wir mit den Exerzitien beschäftigt, die uns zu Cyborgs machen sollten, das heißt: mit Schmerzen.
    In dieser Zeit wurde lediglich Vernon Edwards einmal
    erwischt, wie er es mit einer der Krankenschwestern trieb. Sie waren gerade voll dabei, das Krankenbett krachte und
    quietschte, dass man es vermutlich bis auf den Gang hinaus hörte, aber Vernon ließ sich weder durch sich öffnende noch 257
    durch hastig wieder geschlossene Türen daran hindern, die Sache geräuschvoll und energisch zu Ende zu bringen.
    Danach herrschte einige Tage lang peinlich berührte Stille in

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