Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc
nur eben nicht an ihm und nicht in Kombination mit dem Rest seines Outfits. Seine grüne, sackartige Windjacke aus Polyester oder dergleichen war mit pseudoafrikanischen
Mustern bedruckt und wäre nicht einmal in den siebziger
Jahren entschuldbar gewesen. Und um das alles im Vergleich dazu wie eine lässliche Sünde aussehen zu lassen, steckten seine Füße in klobigen Turnschuhen mit atemberaubend
neonfarbenen Streifen.
»Wie geht's Ihnen?«, fragte er, wie immer, und kämmte sich beim Hereinkommen das stetig grauer und dünner werdende
Haar mit der Hand zurecht. »Ein beschissener Wind da
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draußen. Ich weiß nicht, wie Sie's hier aushalten, Duane. Ich würd's hier keine zehn Tage aushalten, glauben Sie mir. Ach übrigens, ich hab Ihnen was mitgebracht.« Er streckte mir eine abgewetzte WalMart-Plastiktüte hin, die er unter den Arm geklemmt getragen hatte. Darin waren zwei Dosen mit
Konzentratnahrung, haltbar bis Dienstag zwölf Uhr.
»Warum nur zwei?«, fragte ich.
»Mehr war nicht aufzutreiben auf die Schnelle. Da ist grad irgendwie der Wurm drin, haben Sie ja gemerkt.«
Ich nahm eine der Dosen heraus. Es war eigenartig, sie in der Hand zu halten. Fremd. Verspätet. Als hatte ich ein Spielzeug geschenkt bekommen, das ich mir als Sechsjähriger gewünscht habe.
»Fallen Sie mir bloß nicht um den Hals vor Begeisterung«, knurrte Reilly »Ich kann nichts dafür, dass die keine neuen Geschmacksrichtungen erfinden. Schlucken Sie's runter und fertig.«
Ich hatte keinen Hunger. Mein Körper schien vergessen zu haben, dass es so etwas wie Nahrung je gegeben hatte. Aber er brauchte sie, das war klar. »Was dagegen, wenn ich gleich was esse?«
»Nein, nein. Machen Sie, wie Sie denken.«
Wahrend ich in der Küche mit dem Dosenöffner hantierte,
ging Reilly durch die Wohnung, spähte ins Schlafzimmer,
inspizierte das Bad und begutachtete das Wohnzimmer. Ich hörte ihn Schubladen aufziehen und Schranktüren öffnen, und als er im Bad zu Gange war, fiel ihm irgendetwas auf den Boden, mit einem klirrenden Geräusch, das sich nach Scherben anhörte. Aber Reilly fluchte nicht einmal, sondern machte ungerührt weiter.
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Ich habe mich immer gefragt, was er auf diesen Rundgängen eigentlich zu finden erhofft. Eine verheimlichte Ehefrau und drei unmündige Kinder, versteckt im Schlafzimmerschrank?
Oder traut er mir nicht zu, meine Wohnung zumindest so weit sauber zu halten, dass sich kein Schimmel an den Wänden
bildet? Aber es ist ihm nicht abzugewöhnen, jedenfalls nicht mit mehr oder weniger spitzen Bemerkungen, und offenen
Streit wollte ich immer vermeiden. Lieutnant Colonel George M. Reilly könnte in Unbotmäßigkeiten eine Gefahr für die nationale Sicherheit sehen, und sollte er zu dieser Ansicht gelangen, würde mich das nach den Vereinbarungen, die ich einst unterschrieben habe, dazu verpflichten, unverzüglich in die USA zurückzukehren.
»Sieht ein bisschen kahl aus bei Ihnen«, gab Reilly als
Ergebnis seiner Inspektion bekannt. »Als ob Sie unter die Mönche gegangen wären. Was ist denn mit Ihren Büchern? Sie hatten doch 'nen Arsch voll Bücher, oder? Das ganze Regal ist leer. Geradezu trostloser Anblick.«
»Gestohlen«, sagte ich, während ich die Portion Pampe auf meinem Teller mit Salz und Tabasco würzte. »Vorgestern
Abend. Einbrecher.«
»Einbrecher!« Reilly spuckte das Wort förmlich aus, in
einem Tonfall entschiedenster Verachtung. »Einbrecher, die Bücher stehlen!« Das ging über sein Begriffsvermögen. Wie so vieles. Er schüttelte den klobigen Kopf. »Und da heißt es immer, in Europa sei das Leben so sicher. Warum kommen Sie nicht einfach wieder nach Hause, Duane?«
Ich holte einen Löffel aus der Schublade und nahm meinen Teller. »Werden Sie je begreifen, dass ich zu Hause bin, George?« Ich machte eine einladende Geste aus der Küche
hinaus. »Gehen wir ins Wohnzimmer.«
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Wir gingen ins Wohnzimmer, wie immer. Wie immer setzte
Reilly sich breitbeinig auf das Sofa und beklagte sich, dass es zu hart sei (es ist ziemlich mühsam gewesen, ein Sofa
aufzutreiben, das meinem Gewicht problemlos standhält). Ich ließ mich behutsam auf dem nicht ganz so widerstandsfähigen Sessel nieder und begann zu essen, während er die übliche Litanei abspulte.
»Ich habe mal wieder kein Auge zugemacht auf dem
Herflug. Kommt mir das bloß so vor, oder rücken die die Sitze jedes Jahr einen halben Zoll enger aneinander? Eine fliegende Sardinenbüchse jedenfalls, und der Wichser
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