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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
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den desinfizierten Fluren. Vernon kehrte zu uns in den
    Schlafsaal zurück, und wir feierten ihn wie einen Helden, die betreffende Krankenschwester dagegen blieb spurlos
    verschwunden.
    »Ist doch ideal, oder?«, war Vernons Kommentar. »Du
    besorgst es ihr, und danach hast du nicht mal das Problem, sie selber wieder loswerden zu müssen.« Ich sehe ihn noch vor mir, die Hände hinter dem Kopf, ein breites, zufriedenes Grinsen im Gesicht. »Genuss ohne Reue, Jungs. Kann ich nur empfehlen.«
    Wir waren schon ziemliche Machos.
    Forrest war der Schlimmste. Wir anderen hatten für die
    Frauen die üblichen Begriffe, sprachen von chicks, die wir knallen, oder brides, bei denen wir landen wollten, wobei wir uns an die Zehnen oder Neunen hängten und alles darunter verachteten, und am nächsten Morgen benutzten wir die
    Baseball-Begriffe, wie man es eben so macht, sprachen von second base oder home run, um zu umschreiben, wie weit wir es geschafft hatten.
    Doch Forrest gebrauchte im Zusammenhang mit Frauen
    immer nur den Begriff »Beute«. Ich kann mich nicht erinnern, dass er jemals von einer Frau gut gesprochen hätte oder gar so, als hätte er etwas für sie übrig. Für ihn waren sie Beute, die er nagelte, und Punkt. Und wenn er gehabt hatte, was er wollte, interessierte ihn nur noch, wie er die Frau schnell wieder aus dem Bett bekam.
    Ich frage mich, ob wir in Wirklichkeit nicht einfach Angst hatten vor den Frauen. Ob wir nicht stark werden wollten in der 258
    Hoffnung, ihnen eines Tages gewachsen zu sein und der
    Macht, die sie über uns besaßen. Und in diesem Streben sind wir über das Ziel hinausgeschossen. Wir sind so stark
    geworden, dass wir nicht einmal mehr für Sex taugen. Von Liebe ganz zu schweigen.
    Irgendwann schleppte ich mich zurück in meine Wohnung,
    wo ich stundenlang nichts anderes tat, als dazusitzen und zu warten. Nein, eigentlich wartete ich nicht einmal. Ich saß nur da. Meine alten Narben schmerzten, wie sie es jetzt immer öfter tun, wenn sich ein Wetterwechsel ankündigt. Es ist ein Gefühl, als würde jemand unter meiner Haut einen
    Reißverschluss auf- und zuziehen, in manchen Minuten ein scharfes Reißen, in anderen ein rupfendes Ziehen, das vom Scheitel bis zur Sohle um mich herumfährt und einzig meine linke Seite ein wenig verschont. Ich war müde, und in meinem Hirn kochte es vor Gedanken. Erinnerungen kamen hoch, an früher. An meinen Vater, der mich großgezogen hat. An meine Mutter und wie sie uns hat sitzen lassen. Wobei Dad im
    Grunde seines Herzens froh gewesen schien, sie los zu sein. Sie ließen sich nicht scheiden, aber er redete praktisch nie von ihr, und ich kann mich nicht erinnern, dass er noch einmal etwas mit einer anderen Frau angefangen hätte.
    So saß ich da, sah dem Licht zu, wie es schwächer wurde, bis es kurz nach sechs Uhr abends schließlich klingelte. Das Ritual begann, wieder einmal.
    Lieutnant Colonel George M. Reilly ist ein Mann, auf den die Beschreibung »zu klein für sein Gewicht« wirklich zutrifft.
    Jedes Jahr sieht er ein bisschen kleiner und ein bisschen schwerer aus, wenn er in persona vor meiner Tür steht, und jedes Mal ist ihm die schlechte Laune auf mindestens
    Wurfweite anzumerken.
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    Ich habe über die Jahre den Verdacht entwickelt, dass diese schlechte Laune davon herrührt, dass er, wenn er mich besucht, Zivilkleidung tragen muss, und dafür hat er nun wirklich keinerlei Talent. Es scheint so unvorstellbar, dass ein Mann von reichlich fünfzig Jahren im Laufe seines Lebens derart wenig Geschmack in Kleiderfragen entwickelt haben soll, dass man unwillkürlich geneigt ist, Reilly für farbenblind zu halten.
    Doch das ist er nicht. Er hat nur einfach sein Leben lang –
    vermutlich seit seine Mutter aufgehört hat, ihm die Hosen und Hemden herauszulegen – in der Hauptsache entweder Uniform oder Schlafanzüge getragen und es vermieden, die Existenz davon abweichender Kleidungsstücke zur Kenntnis zu nehmen.
    Zivil tragt er nur, wenn er muss, und das heißt paradoxerweise nur im Dienst. Tatsächlich habe ich ihn, seit ich in Irland lebe, nicht mehr in Uniform gesehen.
    Obwohl ich das jederzeit vorgezogen hätte. Ich selber bin auch nicht gerade ein Modenarr, aber ich musste doch schlucken, als ich ihn vor meiner Haustür stehen sah. An diesem kühlen
    Sonntagabend in Dingle trug er eine furchtbare blass karierte Hose in Blautönen und ein Hemd aus beigefarbenem, längs
    geriffeltem Stoff, das für sich genommen gar nicht schlecht aussah,

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