Microsoft Word - Green, Simon R.-Todtsteltzers Ende
besaß er den Briefbeschwerer aus Kristall, mit dem Anne Emma Stahl zu Tode geprügelt
hatte, und noch immer klebte das getrocknete Blut
des Paragons daran. Schon damals hatte er gefühlt,
dass sich dieses Ding einmal als nützlich erweisen
könnte. Obwohl er nicht plante, es als Beweis vorzulegen. Ein Prozess würde nie stattfinden. Dafür sorgte Douglas schon. Nur ein Blick auf diese Nachrichtensendung, und Douglas würde zu Annes Rettung
herbeieilen - da sie nach allem, was geschehen war,
nach allem, was sie getan hatte, immer noch seine
Freundin war. Douglas kam gewiss zu ihrer Rettung,
weil er immer noch an Menschen glaubte. Darin bestand von jeher seine größte Schwäche.
Nina Malapert empfing die Nachricht als Erste. Sie
beeilte sich, ein privates Treffen zwischen Douglas,
Stuart und ihr zu arrangieren, und weigerte sich, einen Grund anzugeben, bis sie in Douglas' Zimmer
versammelt waren. Zwei Wahnschlampen hielten vor
der Tür Wache und sorgten dafür, dass niemand das
Gespräch störte. Douglas und Stuart saßen in den
beiden Sesseln und blickten Nina gespannt an, die zu
nervös war, um ruhig zu sitzen oder zu stehen.
Schließlich verschränkte sie die Arme fest unter den
Brüsten, vor allem, damit die Hände nicht zitterten,
und trug die Neuigkeit so schnell und so sanft vor,
wie sie nur konnte. Sie hielt sich an die nackten Tatsachen und verzichtete auf jeden Kommentar. Dabei
behielt sie Douglas sorgfältig im Auge. Nachdem sie
fertig war, sagte er lange Zeit nichts. Nina und Stuart
blickten sich gegenseitig an.
»Du denkst an einen Rettungseinsatz«, sagte
Stuart schließlich. »Tu das nicht! Wir dürfen das Risiko nicht eingehen, Douglas. Sie wird im Palast
festgehalten. Wir brauchten eine Armee, um dort
auch nur einzudringen, und ich sehe keinen Grund,
warum wir so viele gute Leute für eine heimtückische Verräterin wie Anne Barclay riskieren sollten.«
»Wir brauchten keine Armee«, wandte Douglas
ein. »Ich kenne alte, geheime Wege in den Palast,
weißt du noch? Wege, von denen Finn nichts ahnt.«
»Du überlegst dir, dort allein einzudringen, nicht
wahr?« fragte Nina. »Süßer, es ist eine Falle! Das
muss es sein!«
»Natürlich ist es eine Falle«, sagte Douglas in gefährlich ruhigem Ton. »Finn verstand sich schon
immer darauf, an meinen Ketten zu zerren. Aber das
ist egal. Ich bin schlauer als er.«
»Und schaffst du es, zu Anne vorzudringen, ungeachtet aller Hindernisse und Fallen, die er dir in
den Weg stellen wird?«
»Natürlich.«
»Warum das alles?«, fragte Stuart und machte sich
gar nicht die Mühe, seine Frustration zu verhehlen.
»Was macht Anne denn so wichtig? Sie hat Lewis,
Jesamine und dich verraten, und Finn hat schließlich
zugegeben, dass sie es war, die Emma Stahl ermordet
hat!«
»Sie war Finns Miststück«, sagte Nina. »Und jetzt
braucht er sie nicht mehr und wirft sie den Wölfen
zum Fraß vor, und ich sage, schön, das wir sie los
sind.«
»Ihr habt sie nicht kennen gelernt, wie sie früher
war«, gab Douglas zu bedenken. »Sie war zu ihrer
Zeit einfach klasse. Sie war mein Freund. Freunde
lässt man nicht im Stich, nur weil sie Schlimmes getan haben. Ich denke ... vielleicht hatten wir alle sie
schon lange verraten, ehe sie es mit uns tat.«
»Douglas, sie ist schon lange nicht mehr dein
Freund«, sagte Stuart.
»Deshalb muss ich ja ihr Freund sein«, erklärte
Douglas. »Ein letztes Mal.«
Er schwor sie beide darauf ein, Stillschweigen zu bewahren, und verließ den Slum allein, folgte dabei geheimen Pfaden, die er noch aus seiner Zeit als Paragon
kannte. Er brach allein und in Verkleidung auf, denn er
wusste, dass seine Leute ihn aufgehalten hätten, falls
sie davon erfuhren — und er war nicht bereit, sich aufhalten zu lassen. Er schlüpfte verstohlen über die
Grenze und drang in die dunklen leeren Straßen von
Parade der Endlosen vor, hielt sich im Schatten, um
den Friedenshütern auszuweichen, und blieb den Elfen
durch den alten Paragon-Esp-Blocker verborgen, den
er am Gürtel trug. Er nahm Kurs auf den Palast, und
niemand sah ihn kommen.
Er musste es einfach tun. Vielleicht weil Anne der
allerletzte Teil seines alten Lebens war, den er vielleicht noch retten und heilen konnte. Alles andere
war verändert oder verloren, darunter er selbst. Er
musste aber irgendwas retten.
Die einzige Person, die ihn womöglich aufgehalten hätte, war Diana Vertue. Also suchte er sie auf,
ehe er loszog, erzählte ihr von
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