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Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

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Titel: Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jojox
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hinunter und klopfte schnell an Chris' Tür an, bevor ich in sein Zimmer stürmte. Er saß am Fußende seines Bettes und starrte zu Boden. Tränen rannen ihm die Wangen hinab. Ich legte meinen Kopf auf die Seite und fragte:
    »Hat Larry dich geschlagen?«
    »Na ... na ... nein! Ich ko ... ko ... komme schon a ... a
    ... allein zurecht! Ich ... ich brauch ... ka ... kein'n ...
    Zwerg als ... «, stotterte Chris.
    »Mensch, was redest du denn da?«, fragte ich. »Larry ist der größte Scheißkerl auf diesem ganzen Planeten.
    Ich hab die Nase einfach voll davon, dass er mich und dich ewig anmacht. «
    Chris hob ruckartig den Kopf. »Du so ... so ... solltest lie ... lieber auf ... passen. Äh, du ... krist ... sonst ...
    noch echt ... Probleme. Wenn ... Mom ... hört, wie du flu ... fluchst, wird sie... «

    Ich wischte Chris' Einwand mit meinen Händen beiseite, als ich Chris zu seiner Stereoanlage hinken sah.
    Er griff sich eine dicke rote Kassette und schob sie in sein Tonbandgerät, das er als Achtspurapparat bezeichnete. So was hatte ich noch nie gesehen. Nach einigen Klickgeräuschen begann eine Gesangsgruppe mit Namen Three Dog Night, laut »Joy to the World« zu wimmern. Während Chris' abgenutzte Lautsprecher 110

    schepperten, setzte ich mich zu ihm aufs Bett. Ich merkte, dass das, was ich oben getan hatte, verkehrt gewesen war. »Mensch«, sagte ich Chris, »das tut mir wirklich Leid. Ich bin einfach ausgerastet.« Chris deutete an, dass er mir verziehen hatte. Ich lächelte zurück. »Hey, Chris, was meint Larry eigentlich, wenn er sagt, er würde mir >das Zifferblatt polieren    Chris lachte, während ihm seitlich Speichel aus dem Mund lief. »Er ... äh ... meint, er will ... dir ... in'n Hintern
    ... tre ... treten.«
    »Aber warum macht er dich denn an? Du tust ihm doch nie was. Ich versteh' das nicht. «
    Chris' Augen leuchteten. »Mann, du bist ... aber ko ...
    misch. Schau ... mich doch an. Er braucht ... ka ... kein'n Grund. Leute wie Larry ... ma ... machen mich an, weil ... weil ich ... äh ... anders bin.... Du bis' ... auch an
    ... anders ... Du bis' klein ... un has'ne ... große Klappe.«
    Ich lehnte mich auf Chris' Bett zurück, als er mir weiter erklärte, dass ihn seine leiblichen Eltern schon als kleines Kind aufgegeben hätten und dass er seitdem in Pflegefamilien gelebt habe. Er erzählte mir, dass er schon bei über einem Dutzend Pflegefamilien gewesen sei, bis er zu den Catanzes kam.

    Rudy und Lilian seien für ihn einem echten Zuhause noch am nächsten gekommen. Ich hörte Chris aufmerksam zu. In mancherlei Hinsicht erinnerte mich sein Stottern an mich selbst - daran, wie ich vor einigen Monaten noch selber war. Doch Chris schien verschreckt zu sein. In seinen Augen war Angst zu 111

    erkennen. Er erzählte mir, dass dies jetzt sein letztes Jahr in einer Pflegefamilie sei.
    »Was heißt das?«, fragte ich, während gerade das Tonbandgerät die Spur wechselte.
    Chris schluckte hart und versuchte, sich vor seiner Antwort, so gut es ging, zu konzentrieren. »Hm ... das heißt ... wenn ... wennde 18 bis, ... musste ausziehn und ... für dich selbs' ... sorg'n. «
    »Und du bist jetzt 17?«, fragte ich.
    Chris nickte.
    »Und wer wird sich dann um dich kümmern?«
    Chris blickte zu Boden. Mehrere Sekunden lang rieb er sich die Hände. Zuerst dachte ich, er hätte mich vielleicht nicht gehört, doch als er wieder aufsah und mich anblickte, erkannte ich, warum er solche Angst hatte und warum er geweint hatte.
    Ich nickte ihm zu. Jetzt war mir alles klar.
    Nach meinem Streit mit Larry jr. hielt ich mich zurück und versuchte, ihm so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Doch immer wenn niemand anders zu Hause war und ich auf ihn traf, schrie ich ihn ohne besonderen Grund hasserfüllt an. Manchmal fluchte er dann nur, aber manch
    mal jagte er mich auch durchs ganze Haus. Immer erwischte er mich schließlich, warf mich zu Boden und setzte sich auf mich, um mich »festzunageln«. Einmal schrie er nach ein paar Boxhieben auf meinen Arm:
    »Sag >Onkel< zu mir!«
    Ich verstand nicht, was er wollte. Ich wälzte mich von einer Seite zur andern und versuchte, mich unter ihm herauszuwinden, während Larry auf meinem Brustkorb saß und mich weiter mit Schlägen traktierte. »Nie und nimmer! «, schrie ich zurück.

    112

    Nach ein paar Minuten konnte ich ihm bei den Schweiß von der Stirn rinnen sehen. »Los, sag
    >Onkel    Obwohl ich von den

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