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Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Titel: Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jojox
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geben, nicht? Es reichte ja noch nicht, dass du die Polizei eingeschaltet hast, damit sie dich aus der Schule wegbringen, und dass du deine Mutter und Brüder vor Gericht gebracht hast! Jesus! Du bist wirklich ein Kunstwerk! Du hast alles gehabt: ein neues Leben, einen neuen Anfang. Du hättest dich jetzt nur noch aus Problemen raushalten müssen. Aber das konntest du nicht, nein, das konntest du einfach nicht.
    Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, was deine Mutter mit dir machen will? Ja?«, fragte Vater gebiete-risch, mit erhobener Stimme. »Sie will, dass ich ein 181

    paar Papiere unterschreibe. Ewig ist die hinter mir her, dass ich unterschreiben soll ... weißt du ... wie lange schon?«, fragte er, aber diese Frage war eher an ihn selbst als an mich gerichtet. »Hast du auch nur die geringste Ahnung, wie scheißlange sie mir schon im Nacken sitzt wegen dieser Unterschrift auf den Papieren?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich wusste es nicht. Tränen rannen mir die Wangen hinab.
    »Jahre! Die ganze Zeit schon, seit sie dich damals rausgeworfen hat. Zum Teufel, vielleicht hat sie ja doch die ganze Zeit schon Recht gehabt. Vielleicht brauchst du ja wirklich ... Meinst du, das ist für mich ein Zuckerschlecken? Was meinst du wohl, wie ich mich fühle, einen Sohn an einem solchen Ort
    [gemeint ist die von der Mutter geplante Einweisung in die Psychiatrie; Anm. d. Ü.]
    zu haben ... oder an einem Ort wie diesem hier?«
    Vaters Augen schienen entsetzlich kalt zu sein, als sie durch mich hindurchsahen. »Brandstiftung. Sie werfen dir Brandstiftung vor! Weißt du, wie viel Feuerwehrleute ihr Leben lassen, weil es Brandstifter gibt? Zum Teufel, vielleicht hat sie doch Recht.
    Vielleicht bist du wirklich unverbesserlich.«
    Ich beobachtete, wie der orangefarbene Feuerring der Zigarette auf Vaters Finger zukroch.
    »Also«, sagte er nach mehrminütigem Schweigen,
    »ich muss jetzt das Auto zurückbringen. Ich werde, äh, sehen ... « Vater hielt mitten im Satz inne und stieß sich vom Tisch ab.
    Mit meinen Augen tastete ich seinen Körper ab. Seine Augen sahen so müde und leer aus. »Danke ... dass du zu Besuch gekommen bist«, sagte ich mit bemüht fröhlicher Stimme.

    182

    »Um Himmels willen, junge, halt dich sauber!«, keifte Vater zurück. Er begann schon, die Tür aufzustoßen, als er noch einmal anhielt und mir tief in die Augen sah.
    »Ich hab' eine Menge für dich aufgegeben. Ich hab's versucht; Gott ist mein Zeuge, dass ich's versucht habe. Eine Menge Dinge in meinem Leben tun mir Leid.
    Ich kann dir eine ganze Menge verzeihen - all den Ärger, den du verursacht hast, alles, was du der Familie angetan hast -, aber das hier, das kann ich dir nie vergeben, hörst du, niemals! « Die Tür ging hinter ihm zu, und er war verschwunden.
    »Ich liebe dich, Papa«, sagte ich, über den leeren Tisch starrend.
    An jenem Tag kaute ich beim Abendessen, während um mich herum heftig um jeden Bissen gestritten wurde, auf
    meinem Salat herum. Ich fühlte mich innerlich furchtbar krank und hohl. Ich wusste, dass ich der Grund war, warum meine Eltern so unglücklich waren, warum sie sich getrennt hatten, warum sie beide so viel tranken und warum mein Vater - ein Mann, der sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um das Leben vieler anderer zu retten - jetzt in einer schäbigen Wohnung hauste. Ich hatte wissentlich, willentlich das Familiengeheimnis verraten. Plötzlich wurde mir klar, dass Vater Recht hatte. Vater hatte schon die ganze Zeit Recht gehabt.
    Als ich nach dem Abendessen meine Hausarbeit verrichtete - ich wischte gerade den Fußboden im Speisesaal -, blickte einer der Betreuer um die Ecke.
    »Pelzer, Besuch für dich am Empfang! « Minuten später atmete ich tief ein und schloss die Augen, als ich erneut die Tür zum Besuchszimmer öffnete. Tief in meinem Herzen betete ich, es möge mir doch erspart bleiben, dass Mutter gekommen war.

    183

    Ich musste mehrfach mit den Augen blinzeln, ehe ich begriffen hatte, dass es Lilians Gesicht war, in das ich starrte, nicht Mutters.
    Lilian sprang auf und umarmte mich von der anderen Seite des Tisches aus. »Na, wie geht's dir denn?«, fragte sie.
    »Gut! Und jetzt geht's mir sogar blendend!«, rief ich.
    »Wow! Ich kann gar nicht sagen, wie ... wie schön das ist, Sie hier zu sehen! «
    Lilian hielt meine Hände zwischen ihren Händen ein-geschlossen. »Setz dich und hör mir gut zu. Wir haben einiges zu besprechen, also pass gut auf. David, hat dich dein Vater hier schon

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