Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Middlesex

Middlesex

Titel: Middlesex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
Vom Netzwerk:
keiner. Schließlich, in dem Gefühl, dass sie keine Wahl mehr hatte (und von Desdemona bedrängt, die es noch immer wunderbar fand, einen Priester zu heiraten), gab Zoe nach. 1949 heiratete sie Father Mike, und bald darauf zogen sie nach Griechenland. Dort sollte sie vier Kinder zur Welt bringen, meine Cousins und Cousinen, und acht Jahre bleiben.
    In Detroit wurde 1950 das Black-Bottom-Ghetto planiert, um Platz für eine Schnellstraße zu schaffen. Die Nation of Islam, die ihren Sitz nun im Tempel Nr. 2 in Chicago hatte, bekam einen neuen Geistlichen namens Malcolm X. Im Winter 1954 sprach Desdemona erstmals davon, sich eines Tages in Florida zur Ruhe setzen zu wollen. »In Florida, da gibt's eine Stadt, wisst ihr, wie die heißt? New Smyrna Beach!« 1956 fuhr in Detroit die letzte Straßenbahn, und die Packard-Werke machten zu. Im selben Jahr wurde Milton Stephanides des Militärlebens überdrüssig, verließ die Navy und kehrte in seine Heimatstadt zurück, um sich einen alten Traum zu erfüllen.
    »Mach was anderes«, sagte Lefty Stephanides zu seinem Sohn. Sie waren im Zebra Room und tranken Kaffee. »Warst du an der Marineakademie, um Barmann zu werden?«
    »Ich will kein Barmann sein. Ich will ein Restaurant haben. Eine ganze Kette. Hier könnte man gut damit anfangen.«
    Lefty schüttelte den Kopf. Er lehnte sich nach hinten und breitete die Arme aus, umfasste so die ganze Bar. »Hier kann man mit überhaupt nichts anfangen«, sagte er.
    Da hatte er nicht ganz Unrecht. Trotz des unverdrossenen Gläserfüllens und Thekenwischens meines Großvaters hatte die Bar in der Pingree Street an Glanz verloren. Das alte Zebrafell, das noch immer an der Wand hing, war ausgetrocknet und zeigte Risse. Zigarettenrauch hatte die Rauten an der Blechdecke getrübt. Mit den Jahren hatte der Zebra Room die Ausdünstungen seiner Autos bauenden Gäste aufgesogen. Es roch nach ihrem Bier und ihrem Haarwasser, ihrem Stechuhrelend, ihren zerschlissenen Nerven, ihrem Gewerkschaftsgetöse. Auch das Viertel hatte sich verändert.
    1933, als mein Großvater die Bar eröffnet hatte, war die Gegend weiß und gutbürgerlich gewesen. Nun wurde sie ärmer und überwiegend schwarz. Die unausweichliche Kette aus Ursache und Wirkung brachte es mit sich, dass, kaum war die erste schwarze Familie in die Gegend gezogen, die weißen Nachbarn ihre Häuser sogleich verkaufen wollten. Das Überangebot an Häusern drückte die Immobilienpreise, was es den Ärmeren ermöglichte, hinterherzuziehen, und mit der Armut kam das Verbrechen, und mit dem Verbrechen kamen noch mehr Umzugswagen.
    »Das Geschäft läuft nicht mehr gut«, sagte Lefty. »Wenn du eine Bar aufmachen willst, versuch's in Greektown. Oder Birmingham.«
    Mein Vater wischte diese Einwände beiseite. »Das Bargeschäft mag vielleicht nicht mehr gut sein«, sagte er.
    »Aber nur deshalb, weil es hier zu viele Bars gibt. Zu viel Konkurrenz. Was dieses Viertel braucht, ist ein anständiges Diner.«
    Hercules Hot Dogs™, das in seinen besten Zeiten über stolze Sechsundsechzig Lokale in ganz Michigan, Ohio und im südöstlichen Florida verfügte - jedes Restaurant mit den unverwechselbaren »Säulen des Herkules« am Eingang -, dürfte seinen Anfang an dem schneereichen Februarmorgen des Jahres 1956 genommen haben, als mein Vater im Zebra Room eintraf, um mit der Renovierung zu beginnen. Als Erstes entfernte er die durchhängenden Jalousien von den vorderen Fenstern, um mehr Licht hereinzulassen. Dann strich er die Innenwände leuchtend weiß. Mit einem GI-Geschäftskredit ließ er den Tresen zu einer Diner-Theke umbauen und eine kleine Küche installieren. An die hintere Wand stellten Handwerker rote Plastiksitznischen und bezogen die alten Barhocker mit Zizmos Zebrafell. Eines Morgens trugen zwei Lieferanten eine Musikbox zur Eingangstür herein. Und während Hämmer wummerten und Holzstaub durch die Luft wirbelte, machte sich Milton mit den Papieren und Dokumenten vertraut, die Lefty ohne jedes System in einer Zigarrenkiste unter der Registrierkasse aufbewahrte.
    »Was ist das denn?«, fragte er seinen Vater. »Du hast ja drei Versicherungspolicen auf den Laden.«
    »Man kann nie genug versichert sein«, sagte Lefty.
    »Manchmal zahlen die Gesellschaften nicht. Lieber auf Nummer Sicher gehen.«
    »Sicher? Jede einzelne geht über mehr, als der Laden wert ist. Und das bezahlen wir alles? Das ist doch rausgeschmissenes Geld.«
    Bis dahin hatte Lefty seinem Sohn für alle Veränderungen freie

Weitere Kostenlose Bücher