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Middlesex

Middlesex

Titel: Middlesex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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getan.«
    »Jetzt musst du Kirche reparieren.«
    »Was?«
    »Die Kirche. Musst du reparieren.«
    »Ja, ja«, sagte Seekadett Stephanides, und vielleicht hatte er es sich sogar vorgenommen. Er war dankbar, am Leben zu sein und wieder eine Zukunft zu haben. Aber aus diesen oder jenen Gründen sollte Milton seine Reise nach Bithynios verschieben. Ein Jahr später war er verheiratet, dann wurde er Vater. Der Krieg ging zu Ende. Er machte in Annapolis Examen und diente im Koreakrieg. Danach kehrte er nach Detroit zurück und stieg in den Familienbetrieb ein. Von Zeit zu Zeit erinnerte Desdemona ihren Sohn an seine noch ausstehende Verpflichtung dem heiligen Christophorus gegenüber, doch mein Vater fand stets eine Ausrede, sie nicht zu erfüllen. Sein Zaudern sollte katastrophale Auswirkungen haben, falls man an derlei Dinge glaubt wie ich an manchen Tagen, wenn das alte griechische Blut in Wallung kommt.
    Meine Eltern heirateten im Juni 1946. Zum Zeichen seiner Großzügigkeit wohnte Michael Antoniou der Hochzeit bei. Als nunmehr geweihter Priester machte er eine würdige, gütige Figur, aber nach der zweiten Stunde auf der Feier war klar, dass er am Boden zerstört war. Beim Essen trank er zu viel Sekt, und als die Band zu spielen begann, suchte er sich das Zweitbeste nach der Braut aus: die Brautjungfer, Zoe' Stephanides.
    Zoe blickte auf ihn hinab - ungefähr dreißig Zentimeter. Er forderte sie zum Tanz auf. Und ehe sie es sich versah, wirbelten sie durch den Ballsaal.
    »Tessie hat mir in ihren Briefen viel von dir erzählt«, sagte Michael Antoniou.
    »Hoffentlich nichts allzu Schlechtes.«
    »Genau das Gegenteil. Sie hat gesagt, was für eine gute Christin du bist.«
    Sein langes Gewand verdeckte seine kleinen Füße, was es Zoe schwer machte, ihm zu folgen. Nicht weit entfernt tanzte Tessie mit Milton in seiner weißen Marineuniform. Als die Paare aneinander vorbeikamen, warf Zoe Tessie einen komischen Blick zu und sagte lautlos: »Ich bring dich um.« Aber schon schwenkte Milton Tessie herum, und die beiden Rivalen sahen einander ins Gesicht.
    »Hallo, Mike«, sagte Milton herzlich.
    »Jetzt Father Mike«, sagte der ausgestochene Freier.
    »Bist befördert worden, wie? Gratuliere. Ich nehme an, ich kann dir meine Schwester anvertrauen.«
    Er tanzte mit Tessie fort, die dem anderen eine stumme Entschuldigung zuwarf. Zoe, die wusste, wie sehr ihr Bruder einen rasend machen konnte, tat Father Mike Leid. Sie schlug ihm vor, ein Stück Hochzeitskuchen zu essen.

EX OVO OMNIA
    Um also zu rekapitulieren: Sourmelina Zizmo (geborene Papadiamandopoulos) war nicht nur meine Großcousine ersten Grades. Sie war auch meine Großmutter. Mein Vater war der Neffe seiner eigenen Mutter (und seines Vaters). Zusätzlich dazu, dass sie meine Großeltern waren, waren Desdernona und Lefty auch noch meine Großtante und mein Großonkel. Meine Eltern sollten meine Großcousine und Großcousin zweiten Grades sein, und Pleitegeier mein Cousin dritten Grades und auch mein Bruder. Der Stammbaum der Stephanides', in Dr. Luces »Autosomale Vererbung rezessiver Merkmale« abgebildet, geht tiefer in die Details, als Sie vermutlich wissen wollen. Ich habe mich nur auf die letzten paar Vererbungen von Genen konzentriert. Und jetzt sind wir auch schon fast am Ziel. Zu Ehren von Miss Barrie, meiner Lateinlehrerin in der Achten, möchte ich Sie auf das obige Zitat hinweisen: Ex ovo omnia. Wenn ich aufstehe (wie wir es immer taten, wenn Miss Barrie ins Klassenzimmer trat), höre ich sie fragen: »Kinder? Kann eines von euch dies kleine Fitzel übersetzen und seine Herkunft nennen?«
    Ich hob die Hand.
    »Calliope, unsere Muse, wird den Anfang machen.«
    »Es ist von Ovid. Die Metamorphosen. Die Geschichte der Schöpfung.«
    »Phantastisch. Und kannst du es für uns ins Englische übertragen?«
    »Alles stammt aus einem Ei.«
    »Habt ihr das gehört, Kinder? Dieses Klassenzimmer, eure strahlenden Gesichter, sogar der liebe gute Cicero auf meinem Pult - alle stammen sie aus einem Ei!«
    UNTER DEN MYSTERIEN, die Dr. Philobosian über die Jahre am Esstisch preisgab (abgesehen von den monströsen Auswirkungen mütterlicher Phantasie), war die Präformations theorie des siebzehnten Jahrhunderts. Die Präformationisten mit ihren Achterbahnnamen - Spallanzani, Swammerdam, Leeuwenhoek - glaubten, dass die gesamte Menschheit en miniature schon seit der Schöpfung existiert habe, entweder in Adams Samen oder in Evas Eierstock, und jeder Mensch im nächsten

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