Middlesex
Printing Co., 9125 Twelfth Street, ein - drei Straßen von der Pingree Street entfernt - und parken am Bordstein. Man könnte meinen, um fünf Uhr morgens wäre das nicht schlimm, aber da irrte man. Denn 1967 ist Detroits Twelfth Street rund um die Uhr belebt.
Beispielsweise stehen, als die Polizei eintrifft, Mädchen die Straße entlang aufgereiht, Mädchen in Minirock, schenkelhohen Stiefeln und rückenfreiem Oberteil. (In dem Seetang, den Milton jeden Morgen vom Gehweg spritzt, befinden sich die toten Präservativquallen und gelegentlich auch der Einsiedlerkrebs eines abgebrochenen Stöckels.) Die Mädchen stehen also am Bordstein, Autos fahren vorbei. Limonengrüne Cadillacs, feuerrote Toronados, breitmäulige, dahinrollende Lincolns, alle in einem Topzustand. Chrom blitzt. Radkappen blinken. Nirgends auch nur ein Rostfleck. (Auch so etwas, was Milton bei den Schwarzen immerzu verblüfft: der Widerspruch zwischen der Vollkommenheit ihrer Autos und der Baufälligkeit ihrer Häuser.)... Aber nun werden die schimmernden Autos langsamer. Fenster werden heruntergekurbelt, Mädchen beugen sich vor, um mit den Fahrern zu plaudern. Hin und her wird gerufen, ohnehin schon winzige Miniröcke werden angehoben, manchmal eine aufleuchtende Brust oder eine obszöne Geste, die Mädchen schaffen an, lachen, um fünf Uhr morgens high genug, um die Wundheit zwischen ihren Beinen und die Rückstände von Männern, die kein Parfüm kaschieren kann, nicht mehr zu empfinden. Es ist nicht leicht, auf der Straße sauber zu bleiben, und um diese Zeit riecht jede dieser jungen Frauen an den entscheidenden Stellen wie ein sehr reifer, weicher französischer Käse... Empfindungslos sind sie auch für Gedanken an Kinder, die allein zu Hause bleiben mussten, sechs Monate alte Babys mit einer schlimmen Erkältung, die in gebrauchten Bettchen liegen, an Schnullern nuckeln und nur schwer atmen können... empfindungslos für den anhaltenden Geschmack von Samen neben dem von Pfefferminzkaugummi im Mund, die meisten der Mädchen sind kaum achtzehn, dieser Bordstein in der Twelfth Street ist ihre erste echte Anstellung, mehr an Berufung hat das Land ihnen kaum zu bieten. Wohin werden sie von da gehen? Auch dafür sind sie empfindungslos, nur ein paar träumen davon, Chorsängerin zu werden oder einen Friseurladen aufzumachen... Aber das alles ist ein Teil dessen, was in jener Nacht geschah, was gleich geschieht (die Polizisten steigen jetzt aus ihren Wagen aus, sie treten die Tür der Nachtbar ein)... als ein Fenster aufgeht und jemand schreit: »Die Bullen! Nach hinten raus!« Die Mädchen am Bordstein erkennen die Cops, weil sie es ihnen gratis machen müssen. Aber in dieser Nacht ist etwas anders, geschieht etwas... die Mädchen verschwinden nicht wie sonst, wenn die Cops auftauchen. Sie bleiben stehen und sehen zu, wie die Gäste der Nachtbar in Handschellen abgeführt werden, und einige Mädchen fangen sogar an zu grummeln... und nun gehen weitere Türen auf, halten Autos an, und plötzlich ist alles auf der Straße... aus anderen Nachtbars und aus Häusern und von Straßenecken strömt alles herbei, und es liegt in der Luft, so als hätte die Luft mitgezählt und gemerkt, dass in diesem Augenblick im Juli 1967 das Kerbholz der Missstände voll ist, sodass der Notstand von Watts und Newark in die Twelfth Street von Detroit fliegt, wo eines der Mädchen schreit:
»Lasst bloß die Finger von ihnen, ihr Dreckschweine!«... und dann schreien auch andere, es wird gerangelt, und eine Flasche fliegt knapp an einem Polizisten vorbei und zerschmettert das Fenster eines Einsatzfahrzeugs hinter ihm... und in der Seminole Street schläft mein Vater auf einer Waffe, die gerade wieder zugelassen worden ist, denn die Krawalle haben angefangen...
Um 6.23 Uhr klingelte das Princess-Telefon in meinem Zimmer, und ich nahm ab. Es war Jimmy Fioretos, der in seiner Panik meine Stimme mit der meiner Mutter verwechselte. »Tessie, sag Milt, er soll zum Restaurant kommen. Die Farbigen randalieren!«
»Hier bei Stephanides«, fuhr ich höflich fort, wie man es mir beigebracht hatte. »Callie am Apparat.«
»Callie? Herrgott. Schätzchen, gibst du mir mal deinen Vater?«
»Einen Augenblick, bitte.« Ich legte den rosa Hörer hin, ging ins Elternschlafzimmer und rüttelte meinen Vater wach.
»Mr. Fioretos ist dran.«
»Jimmy? Gott, was will er denn?« Er hob die Wange, auf der man den Abdruck eines Pistolenlaufs erkennen konnte.
»Er hat gesagt, jemand
Weitere Kostenlose Bücher