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Middlesex

Middlesex

Titel: Middlesex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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einem saganaki geworden! Als die Sitzgruppen Feuer fingen, rannte Milton hinter den Tresen nach dem Feuerlöscher. Er kam wieder hervor und hielt die Düse wie eine in Gaze gewickelte Zitronenspalte über die Flammen und wollte schon drücken...
    ... als er plötzlich innehielt. Und nun erkenne ich auf dem Gesicht meines Vaters einen vertrauten Ausdruck, den Ausdruck, den er so oft am Esstisch hatte, den entrückten Blick eines Mannes, der immerzu ans Geschäft denken muss. Erfolg hängt davon ab, ob man sich auf neue Situationen einstellen kann. Und welche Situation war wohl neuer als diese? Flammen züngelten die Wände hinauf, Jimmy Dorseys Foto wellte sich. Und Milton richtete an sich selbst einige zweckdienliche Fragen. Zum Beispiel: Wie sollte er in dieser Gegend je wieder ein Restaurant betreiben? Und: Wie sind wohl die ohnehin schon gesunkenen Immobilienpreise am nächsten Morgen? Am allerwichtigsten: Wie könnte das ein Verbrechen sein? Hatte er etwa mit den Krawallen angefangen? Hatte er den Molotowcocktail geworfen? Wie Tessie durchsuchte Milton die unterste Schublade seines Schreibtischs, in Sonderheit einen dicken Umschlag, der drei Feuerversicherungen von unterschiedlichen Gesellschaften enthielt. Er sah sie vor seinem geistigen Auge; er las die Brandschadensummen und zählte sie zusammen. Der Gesamtbetrag, $ 500000, machte ihn allem anderen gegenüber blind. Eine halbe Million Kröten! Milton sah sich mit wilden, begierigen Augen um. Das Toast-Schild stand in Flammen. Die Barhocker mit den Zebrafellen waren eine Fackelreihe. Und wie von Sinnen machte er kehrt und rannte zu dem Oldsmobile hinaus...
    Wo er mich erblickte.
    »Callie! Was zum Teufel machst du denn hier?«
    »Ich wollte helfen.«
    »Was ist bloß in dich gefahren!«, brüllte Milton. Aber trotz der Wut in seiner Stimme sank er auf die Knie und umarmte mich. Ich schlang ihm die Arme um den Hals.
    »Das Restaurant brennt nieder, Daddy.«
    »Ja, ich weiß.«
    Ich fing an zu weinen.
    »Ist schon gut«, sagte mein Vater und trug mich zum Wagen.
    »Jetzt fahren wir nach Hause. Alles ist vorbei.«
    War es nun also ein Krawall oder eine Guerillaerhebung? Ich möchte die Frage mit Gegenfragen beantworten. Nach dem Ende der Krawalle, wurden da im ganzen Viertel Waffenlager gefunden oder nicht? Und waren diese Waffen AK-47 und Maschinengewehre oder nicht? Und warum hatte General Throckmorton seine Panzer in der East Side stationiert, meilenweit entfernt von den Unruhen? Machte man so etwas, wenn man eine unorganisierte Bande Heckenschützen bekämpfen wollte? Oder entsprach das nicht eher einer militärischen Strategie? War es nicht so, als wollte man eine Kriegsfront aufbauen? Glauben Sie, was Sie wollen. Ich war sieben Jahre alt und folgte einem Panzer in die Schlacht und sah, was ich sah. Wie sich herausstellte, wurde die Revolution, als sie sich schließlich ereignete, nicht im Fernsehen übertragen. Im Fernsehen nannten sie es nur Krawalle.
    Am Morgen danach, als sich der Rauch verzog, war die städtische Fahne wieder zu sehen. Erinnern Sie sich an das Symbol auf ihr? Ein Phönix, der sich aus der Asche erhebt. Und die Worte darunter? Speramus meliora; resurget cineribus. »Wir hoffen auf Besseres; es wird sich aus der Asche erheben.«

MIDDLESEX
    Es ist schon unanständig, das zu sagen, aber die Krawalle waren das Beste, was uns jemals widerfahren ist. Über Nacht stiegen wir von einer Familie, die verzweifelt versuchte, in der Mittelschicht zu bleiben, zu einer auf, die sich Hoffnungen auf die Ober- oder wenigstens auf die obere Mittelschicht machen durfte. Das Geld von den Versicherungen entsprach nicht ganz Miltons Erwartungen. Zwei Gesellschaften weigerten sich, den gesamten Betrag zu zahlen, indem sie Klauseln über doppelten Versicherungsschutz heranzogen. Sie zahlten nur ein Viertel des Policenwerts. Dennoch überstieg der Betrag, alles in allem, den Wert des Zebra Room bei weitem und gestattete meinen Eltern, in unserem Leben einiges zu ändern.
    Von allen meinen Kindheitserinnerungen besitzt keine den traumartigen Zauber jenes Abends, als wir es vor dem Haus hupen hörten, worauf wir ans Fenster traten und sahen, dass in unserer Einfahrt ein Raumschiff gelandet war.
    Es hatte sich lautlos neben dem Kombi meiner Mutter niedergelassen. Die Scheinwerfer gingen an und aus. Das Heck verströmte einen roten Schein. Eine halbe Minute lang geschah nichts weiter. Aber dann sank das Fenster des Raumschiffs langsam und offenbarte dahinter keinen

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