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Middlesex

Middlesex

Titel: Middlesex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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verstehe sehr gut, dass Sie etwas eher (Traditionelles) bevorzugen, Mr. Stephanides. Hin und wieder kommt so etwas rein. Sie müssen nur Geduld haben. Ich habe ja Ihre Telefonnummer. Ich gebe Ihnen Bescheid, wenn etwas auf den Markt kommt.«
    Milton hört sie nicht. Er ist in den Blick versunken. Das Haus hat eine Dachterrasse, dazu hinten eine Veranda. Und im Garten zwei weitere Gebäude.
    »Erzählen Sie mir noch etwas über diesen Hudson Clark«, bittet er sie nun.
    »Clark? Na ja, ehrlich gesagt ist er nicht so sehr bedeutend.«
    »Prairie School, wie?«
    »Hudson Clark war kein Frank Lloyd Wright, wenn Sie das meinen.«
    »Was sind das für Außengebäude, die ich da sehe?«
    »Ich würde sie nicht gerade Außengebäude nennen, Mr. Stephanides. Das wäre ein bisschen zu viel der Ehre. Das eine ist ein Badehaus. Leider ziemlich baufällig. Ich weiß gar nicht, ob es überhaupt funktionsfähig ist. Das dahinter ist das Gästehaus. Auch da müssten Sie einiges an Arbeit reinstecken.«
    »Badehaus? Das ändert die Sache.« Milton wendet sich von der Scheibe ab. Er schlendert durchs Haus, betrachtet es nun in einem neuen Licht: die Stonehenge-Wände, die Klimt- Kacheln, die offenen Räume. Alles geometrisch und schachbrettartig. Durch die vielen Oberlichter fällt in Balken Sonnenschein. »Jetzt, wo ich hier bin«, sagt Milton, »bekomme ich erst eine richtige Vorstellung von dem Haus. Das Foto, das Sie mir gezeigt haben, wird ihm nicht gerecht.«
    »Tja, Mr. Stephanides, für eine Familie wie die Ihre, mit kleinen Kindern, ich weiß nicht recht, ob das wirklich das Beste...«
    Bevor sie zu Ende sprechen kann, hält Milton ergeben die Hände hoch. »Sie brauchen mir nichts mehr zu zeigen. Baufällige Außengebäude hin oder her, ich nehme es.«
    Eine Pause tritt ein. Miss Marsh lächelt mit ihrem Doppel deckerzahnfleisch. »Das ist ja wunderbar, Mr. Stephanides«, sagte sie ohne Begeisterung. »Natürlich wäre das abhängig von der Bewilligung des Kredits.«
    Jetzt ist es an Milton zu lächeln. Obwohl das Punktsystem allgemein geleugnet wird, ist es doch kein Geheimnis. Im Jahr davor hat Harry Karras erfolglos versucht, ein Haus in Grosse Pointe zu kaufen. Dasselbe ist Pete Savidis widerfahren. Aber Milton Stephanides schreibt keiner vor, wo er zu leben hat. Miss Marsh nicht und auch kein Haufen Country-Club-Maklertypen.
    »Das braucht Sie nicht zu beunruhigen«, sagte mein Vater und ließ sich diesen Augenblick auf der Zunge zergehen. »Ich zahle bar.«
    Über die Barriere des Punktsystems hinweg schaffte es mein Vater, uns ein Haus in Grosse Pointe zu beschaffen. Es war das einzige Mal in seinem Leben, dass er für etwas im Voraus bezahlt hat. Aber was war mit den anderen Barrieren? Was war damit, dass die Immobilienmakler ihm in den Gegenden, die Detroit am nächsten lagen, nur die am wenigsten gefragten Häuser gezeigt hatten? Häuser, die sonst niemand wollte? Und was war mit seinem Unvermögen, darin etwas anderes als bloß Großspurigkeit zu sehen, und mit der Tatsache, dass er das Haus kaufte, ohne sich zuvor mit meiner Mutter zu besprechen? Nun, für diese Probleme gab es keine Lösung.
    Am Tag des Umzugs fuhren wir in zwei Wagen los. Tessie, die mit den Tränen kämpfte, nahm Lefty und Desdemona im Kombi mit. Milton fuhr mit Pleitegeier und mir in dem neuen Fleetwood. An der Jefferson Avenue gab es noch immer Spuren der Krawalle, und ich hatte noch unbeantwortete Fragen. »Was war mit der Boston Tea Party?«, wollte ich vom Rücksitz aus von meinem Vater wissen. »Die Kolonisten haben doch den ganzen Tee gestohlen und in den Hafen gekippt. Das war dasselbe wie ein Krawall.«
    »Das war überhaupt nicht dasselbe«, antwortete Milton. »Was bringen sie euch bloß in dieser Schule bei? Bei der Boston Tea Party rebellierten die Amerikaner gegen ein anderes Land, das sie unterdrückte.«
    »Aber es war doch gar kein anderes Land, Daddy. Es war dasselbe Land. Damals hat es die Vereinigten Staaten doch noch gar nicht gegeben.«
    »Jetzt möchte ich dich mal was fragen. Wo war König George, als sie den ganzen Tee in den Teich kippten? War er in Boston? War er wenigstens in Amerika? Nein. Er war in seinem blöden England und mampfte Pfannkuchen.«
    Der makellose schwarze Cadillac rauschte dahin, brachte meinen Vater, meinen Bruder und mich aus der vom Krieg gezeichneten Stadt. Wir überquerten einen schmalen Kanal, der Detroit wie ein Wassergraben von Grosse Pointe trennte. Und dann, noch bevor wir die

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