Middlesex
hatten, war der reiche Bezirk der Automagnaten am See: Grosse Pointe.
Es war viel schwieriger, als sie gedacht hatten. Auf Erkundungsfahrt im Cadillac durch die fünf Grosse Pointes (Park, City, Farms, Woods, Shores) sahen meine Eltern Verkaufsschilder auf vielen Rasenflächen. Aber wenn sie zu den Maklern gingen und Anträge ausfüllten, mussten sie feststellen, dass die Häuser plötzlich vom Markt genommen oder verkauft waren oder der Preis sich verdoppelt hatte.
Nach zwei Monaten Suche war Milton bei seiner letzten Immobilienmaklerin angekommen, einer gewissen Miss Jane Marsh von der Firma Great Lakes Realty. Die hatte er nun - und zunehmend einige Ahnungen.
»Das Objekt ist recht exzentrisch«, sagt Miss Marsh eines Nachmittags im September, während sie vor ihm die Auffahrt hinaufgeht. »Der Käufer sollte da schon einen Sinn für haben.« Sie öffnet die Eingangstür und bittet ihn hinein. »Allerdings hat es eine beachtliche Geschichte. Es wurde von Hudson Clark entworfen.« Sie wartet auf Zeichen der Anerkennung. »Von der Prairie School?«
Milton nickt unsicher. Er schwenkt den Kopf, lässt den Blick schweifen. Das Bild, das Miss Marsh ihm im Büro gezeigt hat, hat ihm nicht sonderlich zugesagt. Zu kastenförmig. Zu modern.
»Ich weiß nicht recht, ob meine Frau sich mit so etwas anfreunden könnte, Miss Marsh.«
»Etwas Traditionelleres haben wir momentan leider nicht im Angebot.«
Sie führt ihn einen kargen weißen Flur entlang und eine offene kleine Treppe hinunter. Und nun, als sie in den abgesenkten Wohnraum treten, schwenkt auch Miss Marsh den Kopf. Mit einem höflichen Lächeln, das oben Zahnfleisch von Kaninchendimensionen entblößt, taxiert sie Miltons Hautfarbe, seine Haare, seine Schuhe. Erneut wirft sie einen Blick auf seinen Immobilienantrag.
»Stephanides. Was ist das für ein Name?«
»Ein griechischer.«
»Ein griechischer. Das ist aber interessant.«
Noch mehr Zahnfleisch blitzt, als Mrs. Marsh sich etwas notiert. Dann setzt sie die Führung fort: »Abgesenkter Wohnraum. Gewächshaus gleich neben der Essecke. Und wie Sie sehen können, ist das Haus gut mit Fenstern ausgestattet.«
»Es ist ein Fenster, Miss Marsh.« Milton tritt näher an die Scheibe und blickt prüfend in den Garten. Unterdessen blickt Miss Marsh, ein paar Schritte hinter ihm, prüfend auf Milton.
»Darf ich fragen, in welcher Branche Sie tätig sind, Mr. Stephanides?«
»Gastronomie.«
Wieder eine Notiz in ihre Unterlagen. »Kann ich Ihnen sagen, welche Kirchen wir hier in dieser Gegend haben? Welcher Konfession gehören Sie an?«
»Ich mache mir nichts aus so etwas. Meine Frau geht mit den Kindern in die griechisch-orthodoxe Kirche.«
»Sie ist also auch Griechin?«
»Sie ist Detroiterin. Wir kommen beide von der East Side.«
»Und Sie benötigen auch Raum für ihre beiden Kinder, nicht wahr?«
»Ja, Ma'am. Und außerdem wohnen auch noch meine Eltern bei uns.«
»Ah, ich verstehe.« Und das rosa Zahnfleisch verschwindet, als Miss Marsh alles zusammenzählt. Mal sehen. Südliches Mittelmeer. Ein Punkt. Kein gehobener Beruf. Ein Punkt. Religion? Griechisch-orthodoxe Kirche. Das ist doch so etwas wie katholisch, oder? Also auch da ein Punkt. Und seine Eltern wohnen bei ihm! Dafür gibt's zwei Punkte. Macht - fünf. Oh, das geht nicht. Das geht überhaupt nicht.
Um Miss Marshs Arithmetik zu erklären: Damals bewerteten die Grundstücksmakler in Grosse Pointe potenzielle Käufer nach etwas, was sie das Punktsystem nannten. (Milton war nicht der Einzige, der sich Sorgen machte, dass das Viertel vor die Hunde ging.) Niemand redete offen darüber. Immobilien makler sprachen nur von »Gemeindestandards« und davon, an »die richtigen Leute« zu verkaufen. Und mit dem Beginn der weißen Flucht war das Punktsystem notwendiger denn je geworden. Man wollte doch nicht, dass das, was in Detroit passiert war, auch hier passierte.
Heimlich malt Miss Marsh nun eine winzige »5« neben »Stephanides« und umkringelt sie. Aber dabei spürt sie etwas. Eine Art Bedauern. Das Punktsystem ist schließlich nicht ihre Idee. Es war schon da, lange bevor sie aus Wichita, wo ihr Vater als Fleischer arbeitet, nach Detroit gekommen ist. Aber sie kann ja nichts machen. Genau, Miss Marsh tut es Leid. Also wirklich! Man muss sich dieses Haus mal ansehen! Wer außer einem Italiener oder Griechen soll das denn kaufen. Das kriege ich nie verkauft. Nie im Leben!
Ihr Kunde steht noch immer am Fenster und schaut hinaus.
»Ich
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