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Middlesex

Middlesex

Titel: Middlesex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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Kanada.«
    »Bist du sicher, dass es trägt?«
    Als Antwort auf die Frage meines Großvaters öffnet Zizmo nur seine Tür: um im Notfall den Ausstieg zu erleichtern. Lefty tut es ihm nach. Die Vorderräder des Packard senken sich auf Eis. Es ist, als bewege sich der ganze zugefrorene See. Ein helles Geräusch schließt sich an, wie wenn Zähne auf Eiswürfel beißen. Nach einigen Sekunden hört es auf. Die Hinterräder folgen. Das Eis beruhigt sich.
    Mein Großvater, der seit Bursa nicht mehr gebetet hat, verspürt den Drang, es mal wieder zu probieren. Der Lake St. Clair wird von der Purple Gang kontrolliert. Hier gibt es keine Bäume, hinter denen man sich verstecken, keine Seiten straßen, durch die man schleichen kann. Er beißt sich in den Daumen, dem der Nagel fehlt.
    Ohne Mond sehen sie nur, was die Insektenaugenschein werfer erhellen: drei Meter körnige, eisblaue Fläche, von Reifenspuren überzogen. Schneewirbel stieben vor ihnen auf. Zizmo wischt die beschlagene Windschutzscheibe mit dem Hemdsärmel frei. »Achte auf dunkles Eis.«
    »Warum?«
    »Das bedeutet, dass es dünn ist.«
    Es dauert nicht lange, bis die erste Stelle kommt. Über Sandbänken schwächt schwappendes Wasser das Eis. Zizmo umfährt sie. Aber schon bald kommt die nächste Stelle, und er muss in die andere Richtung. Rechts. Links. Rechts. Der Packard kriecht voran, folgt den Reifenspuren anderer Rumschmuggler. Hin und wieder versperrt ihnen eine Eishütte den Weg, und sie müssen wenden, den Weg zurück, den sie gekommen sind. Nach rechts, nach links, zurück, dann vorwärts, immer in die Dunkelheit überm Eis, das glatt wie Marmor ist. Zizmo beugt sich übers Lenkrad, späht dahin, wo der Lichtstrahl sich verliert. Mein Großvater hält seine Tür geöffnet, horcht auf das Ächzen des Eises...
    ... Aber da, über das Motorbrummen schiebt sich ein neues Geräusch. Auf der anderen Seite der Stadt, in eben dieser Nacht, hat meine Großmutter einen Albtraum. Sie ist in einem Rettungsboot an Bord der Giulia. Kapitän Kontoulis kniet zwischen ihren Beinen, löst ihr Hochzeitskorsett. Er schnürt es auf, zieht es auseinander, pafft dabei an einer Nelkenzigarette. Desdemona, zutiefst verlegen ob ihrer Nacktheit, blickt hinab auf das, was den Kapitän so fasziniert: Ein schweres Schiffstau verschwindet in ihr. »Hievt!«, brüllt Kapitän Kontoulis, und da taucht Lefty auf, macht ein besorgtes Gesicht. Er packt das Tauende und beginnt zu ziehen. Und dann:
    Schmerz. Traumschmerz, real und doch wieder nicht, nur die Neuronen glühen. Tief drinnen in Desdemona zerspringt ein Wasserballon. Wärme brandet gegen ihre Schenkel, Blut füllt das Rettungsboot. Lefty zieht an dem Tau, dann noch einmal. Blut spritzt dem Kapitän ins Gesicht, aber er zieht den Schild seiner Mütze tiefer, zuckt nicht zurück. Desdemona schreit auf, das Rettungsboot schaukelt, dann ist da das Geräusch von etwas Platzendem, und sie hat das Gefühl, als würde sie in zwei Teile gerissen, und dort, am Ende des Taus, ist ihr Kind, ein kleiner Muskelknubbel, blutergussfarben, und sie schaut nach den Armen, kann sie nicht finden, und sie schaut nach den Beinen, kann sie nicht finden, und dann hebt sich der winzige Kopf, und sie schaut dem Kind ins Gesicht, ein Halbmond Zähne öffnet und schließt sich, keine Augen, kein Mund, nur Zahnreihen, die aufklappen und zugehen...
    Desdemona erwacht mit einem Ruck. Es dauert eine kleine Weile, bis sie erkennt, dass ihr wirkliches, reales Bett durchnässt ist. Ihre Fruchtblase ist geplatzt...
    ... während draußen auf dem Eis die Scheinwerfer des Packard bei jeder Beschleunigung, die der Batterie mehr Saft gibt, aufleuchten. Sie sind jetzt über der Fahrrinne, gleich weit entfernt von beiden Ufern. Der Himmel über ihnen eine große schwarze Schale, durchbohrt von Himmelsfeuern. Sie können sich nicht mehr erinnern, welchen Weg sie gekommen sind, wie oft sie gewendet haben, wo das schlechte Eis ist. Das gefrorene Gelände ist mit Reifenspuren voll gekritzelt, die in alle möglichen Richtungen weisen. Es geht vorbei an den Gerippen alter Klapperkisten, die Schauzen stecken im Eis, die Türen sind von Einschüssen durchsiebt. Achsen liegen herum, Radkappen, ein paar Ersatzreifen. In dem Dunkel und Schneegewirbel spielen meinem Großvater die Augen einen Streich. Zweimal meint er, er sehe eine Phalanx Autos nahen. Die Autos führen sie an der Nase herum, tauchen mal vorn, mal an der Seite, mal hinten auf und zeigen sich immer nur so kurz,

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