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Middlesex

Middlesex

Titel: Middlesex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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Straßen, will schneller als die Wehen sein...
    ... während Zizmo den Packard übers Eis jagt. Die Tachonadel steigt. Der Motor dröhnt. Schneeketten wirbeln Eis auf. Der Packard rast in die Finsternis, schlittert über nasse Stellen, schlingert mit dem Heck. »Habt ihr beiden das alles geplant?«, brüllt er. »Dass Lina einen Amerikaner heiratet, damit sie für dich bürgen kann?«
    »Was soll denn das?« Mein Großvater versucht zu argumentieren. »Als du und Lina geheiratet habt, wusste ich doch noch gar nicht, dass ich nach Amerika gehe. Bitte fahr langsamer.«
    »War das euer Plan? Einen Mann finden und dann bei ihm einziehen!«
    Der unfehlbare Trick in Minotauros-Filmen. Das Ungeheuer kommt immer von da, wo man es am wenigsten erwartet. Genauso hält mein Großvater, da auf dem Lake St. Clair, Ausschau nach der Purple Gang, obwohl in Wirklichkeit das Monster direkt neben ihm sitzt, am Steuer. Der Wind von der offenen Tür treibt Zizmos Kraushaar nach hinten wie eine Mähne. Der Kopf ist gesenkt, die Nasenflügel beben. Seine Augen leuchten vor Zorn.
    »Wer ist es!«
    »Jimmy! Dreh um! Das Eis! Du siehst gar nicht auf das Eis.«
    »Ich bleibe erst stehen, wenn du es mir sagst.«
    »Da gibt's nichts zu sagen. Lina ist ein gutes Mädchen. Ist dir eine gute Frau. Das schwöre ich!«
    Doch der Packard rast weiter. Mein Großvater drückt sich in den Sitz.
    »Und das Baby, Jimmy? Denk an deine Tochter.«
    »Wer sagt denn, dass sie von mir ist?«
    »Natürlich ist sie von dir.«
    »Ich hätte das Mädchen niemals heiraten sollen.«
    Lefty hat keine Zeit, etwas darauf zu erwidern. Ohne weitere Fragen zu beantworten, lässt er sich aus der Wagentür rollen. Der Wind packt ihn mit voller Wucht, schleudert ihn gegen die hintere Stoßstange. Er sieht, wie sich sein Schal in Zeitlupe um das Hinterrad des Packard wickelt. Er spürt die Schlinge, die sich zuzieht, aber dann löst sich der Schal von seinem Hals, und die Zeit beschleunigt wieder. Er bedeckt das Gesicht, als er auf dem Eis aufschlägt, noch eine lange Strecke rutscht. Kaum blickt er wieder auf, sieht er den Packard, der noch immer fährt. Unmöglich zu erkennen, ob Zizmo versucht zu wenden oder zu bremsen. Lefty steht auf, er hat sich nichts gebrochen, und beobachtet, wie Zizmo wie ein Irrer in die Finsternis rast... sechzig Meter... achtzig... hundert... bis plötzlich ein anderes Geräusch zu hören ist. Durch den Motorenlärm dringt ein lautes Krachen, gefolgt von einem Funkeln, das sich unter seinen Füßen ausbreitet, als der Packard in eine dunkle Stelle auf dem zugefrorenen See kracht.
    Wie Eis bricht auch ein Leben. Eine Persönlichkeit. Eine Identität, Jimmy Zizmo, überm Lenkrad des Packard kauernd, begreift schon gar nichts mehr. Und da verflüchtigt sich die Spur. Bis hierhin kann ich Sie mitnehmen, weiter nicht. Vielleicht war es rasende Eifersucht. Vielleicht wollte er auch nur seine Möglichkeiten ausloten. Eine Mitgift gegen die Kosten einer Familie abwägen. Dazu die Ahnung, dass das nicht ewig so weitergehen konnte, dieser Boom mit der Prohibition.
    Und auch das wäre denkbar: Er könnte die ganze Sache getürkt haben.
    Doch für solche Grübeleien bleibt keine Zeit mehr. Weil das Eis kreischt. Zizmos Vorderräder einbrechen. Der Packard, elegant wie ein Elefant, sich auf die Vorderbeine stellt, sich auf den Kühlergrill stemmt. Einen Augenblick lang bestrahlen die Scheinwerfer das Eis und das Wasser darunter, wie im Freibad, aber dann sinkt die Motorhaube ein, und nach einem Funkenregen wird alles dunkel.
    In der Frauenklinik lag Desdemona sechs Stunden in den Wehen. Dr. Philobosian entband sie von dem Kind, dessen Geschlecht er auf die übliche Weise ermittelte: indem er die Beine spreizte und nachsah. »Herzlichen Glückwunsch. Ein Sohn.«
    Desdemona rief, zutiefst erleichtert, aus: »Die einzigen Haare hat er auf dem Kopf.«
    Wenig später traf Lefty im Krankenhaus ein. Er war ans Ufer zurückgelaufen und per Anhalter mit einem Milchwagen nach Hause gefahren. Nun stand er am Fenster des Säuglingssaals, die Achseln noch stinkend vor Angst, die rechte Wange von seinem Sturz aufs Eis aufgeschürft und die Unterlippe geschwollen. Just an jenem Morgen hatte Linas Baby genügend zugelegt, um den Brutkasten verlassen zu können. Die Schwestern hielten beide Kinder hoch. Der Junge wurde Miltiades genannt, nach dem großen Athener General, dann aber Milton gerufen, nach dem großen englischen Dichter. Das Mädchen, das ohne Vater aufwachsen

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