Midkemia Saga 01 - Der Lehrling des Magiers
Königreiches.
Nach einer halben Stunde war es klar, daß die Männer aus Crydee nicht in der Lage sein würden, die Arbeit zu vollenden, da sie zu erschöpft waren. Arutha dachte daran, weitere Männer hinauszusenden, aber Fannon lehnte es ab. Er war der Ansicht, daß die Tsuranis nur darauf warten würden. »Wenn wir eine große Gruppe durch das Tor zurückholen müssen, könnte sich das als verhängnisvoll erweisen. Wenn wir das Tor schließen, verlieren wir unsere Männer draußen, und wenn wir es zu lange offenhalten, könnten die Tsuranis das Schloß stürmen.« Arutha war gezwungen, ihm recht zu geben. So schickten sie sich an, Gardans Männer bei der Arbeit an diesem heißen Morgen zu beobachten.
Dann, gegen Mittag, näherte sich ein Dutzend unbewaffneter Tsurani-Soldaten der arbeitenden Gruppe. Die Männer an der Mauer beobachteten gespannt, was geschehen würde. Als die Tsuranis die Stelle erreichten, an der die Männer aus Crydee arbeiteten, machten sie sich schweigend daran, Leichen aufzuheben und zu dem Scheiterhaufen hinüber zu tragen, der inzwischen errichtet worden war. Arutha schüttelte den Kopf, als er sah, wie Männer, die versucht hatten, sich gegenseitig zu töten, nun Seite an Seite arbeiteten. »Vater hat schon immer gesagt, von allen merkwürdigen Unternehmungen des Menschen ist der Krieg sicher die merkwürdigste.«
Bei Sonnenuntergang kamen sie wieder. Eine Welle nach der anderen fielen die Angreifer die westliche Wand an und starben an ihrem Fuße. Viermal griffen sie im Laufe der Nacht an, und viermal wurden sie zurückgeworfen.
Jetzt kamen sie erneut, und Arutha schüttelte seine Müdigkeit ab, um noch einmal zu kämpfen. Sie konnten sehen, wie weitere Tsuranis zu denen vor dem Schloß stießen. Leuchtende Fackeln schlängelten sich durch den Wald im Norden. Nach dem letzten Sturm war es klar, daß sich die Lage zugunsten der Tsuranis veränderte. Die Verteidiger waren nach zwei Nächten des Kampfes erschöpft, aber die Tsuranis warfen immer noch neue Truppen ins Spiel.
»Sie wollen uns zermalmen, koste es, was es wolle«, erklärte der müde Fannon. Er schickte sich an, etwas zu einem Soldaten zu sagen, als ein merkwürdiger Ausdruck auf sein Gesicht trat. Er schloß die Augen und brach zusammen. Arutha fing ihn auf. Ein Pfeil ragte aus seinem Rücken. Ein Soldat, der auf der anderen Seite kniete, schaute Arutha mit von Panik erfülltem Gesicht an, so als wolle er fragen: Was sollen wir tun?
Arutha brüllte: »Bringt ihn in die Burg, zu Pater Tully.« Der Mann und ein anderer Soldat hoben den bewußtlosen Schwertmeister hoch und schleppten ihn nach unten. Ein dritter Soldat fragte: »Welche Befehle gebt Ihr, Hoheit?«
Arutha wirbelte herum, sah die besorgten Gesichter der Soldaten aus Crydee und erklärte: »Es bleibt dabei. Verteidigt die Mauer.«
Der Kampf ging hart fort. Ein halbes Dutzendmal sah sich Arutha selbst Tsurani-Kriegern gegenüber, die die Mauer erklettert hatten. Dann, nach einem endlos scheinenden Kampf, zogen sich die Tsuranis endlich zurück.
Keuchend stand Arutha da. Seine Kleider waren unter der Brustplatte seiner Rüstung schweißgetränkt. Er rief nach Wasser. Sofort erschien ein Träger aus der Burg mit einem Eimer. Arutha trank, wie auch die anderen um ihn her.
Dann drehte er sich um, um die Tsurani-Menge weiter zu beobachten.
Wieder standen sie jenseits der Reichweite der Wurfmaschinen, und ihre Fackeln schienen nicht weniger geworden. »Prinz Arutha«, ertönte eine Stimme hinter ihm. Er wirbelte herum. Pferdemeister Algon stand vor ihm.
»Ich habe soeben von Fannons Verletzung erfahren.«
»Wie geht es ihm?« fragte Arutha.
»Die Verletzung ist ernst, aber noch nicht fatal. Tully glaubt, daß er sich erholen wird, wenn er den heutigen Tag überlebt. Aber er wird wochenlang nicht in der Lage sein, das Kommando zu übernehmen. Vielleicht sogar noch länger nicht.«
Arutha wußte, daß Algon auf eine Entscheidung wartete. Der Prinz war Hauptmann-Ritter der königlichen Armee und Kommandeur der Garnison, wenn Fannon nicht anwesend war. Außerdem war er unerfahren und könnte das Kommando Pferdemeister Algon übertragen. Arutha sah sich um. »Wo ist Gardan?«
»Hier, Hoheit«, kam die Antwort von einem Stück weiter die Mauer entlang.
Arutha war überrascht über die Erscheinung des Mannes. Seine dunkle Haut war fast grau vom Staub, der nur festgehalten von seinem Schweiß an ihr haftete. Seine Tunika und sein Heroldsrock waren blutgetränkt.
Weitere Kostenlose Bücher