Midkemia Saga 04 - Dunkel über Sethanon
in das Abwassersystem eindringen sollten. Jimmy, Gardan und Hauptmann Valdis sollten jeweils eine der Gruppen, die sich in den alten Lagerhäusern versteckt hielten, durch die Straßen des Armenviertels führen.
Jimmy sah sich um; gerade schlüpfte der letzte Soldat leise durch die halbgeöffnete Tür in das Lagerhaus. In dem Gebäude, wo sonst die Spötter ihre Beute unterbrachten, drängten sich jetzt Männer. Er stellte sich wieder an das einzige Fenster, durch das er die Straße beobachten konnte, die direkt zum Unterschlupf der Nachtgreifer führte. Roald betrachtete das Stundenglas. Er hatte es umgedreht, als die Nachtwächter die letzte volle Stunde ausgerufen hatten. An der Tür des Lagerhauses horchten einige Soldaten. Jimmy ließ seinen Blick erneut über die versammelte Kompanie schweifen. Laurie, der unerwarteterweise vor einer Stunde zusammen mit Roald aufgetaucht war, lächelte Jimmy nervös zu. »Immerhin ist es hier bequemer als in den Höhlen am Moraelin.«
Jimmy erwiderte das Lächeln des uneingeladenen Teilnehmers an dem nächtlichen Überfall knapp. »Genau.« Ihm war klar, der Sänger, aus dem ein Adliger geworden war, wollte mit seiner Bemerkung nur die Sorgen abschütteln, die sie alle bedrückten. Denn sie waren schlecht vorbereitet, und sie hatten keine Ahnung, mit wie vielen von Murmandamus' Dienern sie rechnen mußten. Doch das Auftauchen des falschen Prinzen hatte eine neue Welle von Angriffen der Moredhel angekündigt, und Arutha hatte mit Nachdruck darauf bestanden, äußerst rasch vorzugehen. Und es war ebenfalls Aruthas Entscheidung gewesen, seine Leute eiligst zu sammeln und den Schlag gegen die Nachtgreifer zu führen, ehe der Morgen ein weiteres Mal über Krondor graute. Jimmy hatte mehr Zeit gefordert, damit er die Gegend genauer erkunden konnte. Doch der Prinz hatte seinem Drängen nicht nachgegeben. Jimmy hatte nämlich einen Fehler gemacht; er hatte erzählt, wie nahe er der Entdeckung gewesen war. Als Nathan dann die Nachricht vom Tod des Betrügers überbracht hatte, beurteilte Arutha die Lage folgendermaßen: Sie selbst konnten nicht wissen, ob der falsche Prinz Komplizen im Palast hatte, oder ob seine Spießgesellen auf andere Weise Kenntnis vom Erfolg oder Mißerfolg seines Betrugs erhalten hatten. Sie liefen also Gefahr, in einen Hinterhalt zu geraten, oder - noch schlimmer ein leeres Nest vorzufinden. Jimmy verstand die Ungeduld des Prinzen, am liebsten hätte er noch einmal nach geprüft, ob sie wirklich alle Fluchtwege blockiert hatten.
Sie hatten große Mengen Bier und Wein - Spenden vom Prinzen an die Bürger - in die Stadt schaffen lassen, in der Hoffnung, das würde ihre Erfolgschancen erhöhen. Die Spötter hatten ihnen geholfen, eine vergleichsweise große Anzahl von Fässern im Armenviertel und besonders in Fischdorf zu verteilen. Die anständigen Leute von Fischdorf - wie gering ihre Anzahl auch immer sein mochte, dachte Jimmy wehmütig - würden glücklicherweise gemeinsam dem Trunke frönen. Dann sagte jemand: »Die Glocke der Nachtwächter hat geläutet.«
Roald sah auf das Stundenglas. Es war noch etwa für eine Viertelstunde Sand in der oberen Hälfte. »Das ist das Signal.«
Sofort war Jimmy an der Tür und ging voran. Seine Kompanie erfahrener Soldaten würde das Lager der Nachtgreifer als erste erreichen. Jimmy war der einzige, der überhaupt einen Blick in das Innere des Gebäudes hatte werfen können, und er hatte freiwillig die Aufgabe übernommen, die Nachtgreifer in ihrem Versteck aufzuscheuchen. Die Kompanien von Gardan und Valdis würden sofort danach als Verstärkung eintreffen und die Straßen um das Gebäude mit Soldaten in der Uniform der fürstlichen Truppen bevölkern, während Jimmys Männer den Unterschlupf überfielen. Die Kompanien von Arutha und Trevor Hull waren dann entweder bereits durch eine Falltür im Keller des ›Regenbogenpapagei‹ oder durch den Tunnel der Schmuggler im Hafen in die Abwasserkanäle eingedrungen. Sie würden sich unter dem Quartier der Nachtwächter zusammenziehen und alle Fluchtwege in den Abwässern für die Assassinen versperren.
Die Soldaten schwärmten nach allen Seiten aus und duckten sich in die nächtlichen Schatten, während sie die schmale Straße entlang eilten. Laut Befehl sollten sie zwar so heimlich wie möglich vorgehen, doch bei dieser großen Anzahl bewaffneter Männer kam es vor allem auf Schnelligkeit an. Außerdem sollten sie sofort angreifen, wenn sie entdeckt wurden. Als sie die
Weitere Kostenlose Bücher