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Midkemia Saga 04 - Dunkel über Sethanon

Midkemia Saga 04 - Dunkel über Sethanon

Titel: Midkemia Saga 04 - Dunkel über Sethanon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Feist
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Wertschätzung. Martin merkte, wie ihm das Blut in den Kopf schoß, und er wandte seine Aufmerksamkeit wieder ihrem Vater zu. Es war nur zu deutlich, weshalb sie zum Anlaß für ein Duell zwischen hitzköpfigen jungen Männern geworden war. Martin wußte vielleicht nicht viel über Frauen, aber er war ein erfahrener Jäger, und er erkannte ein Raubtier, wenn er es vor Augen hatte. Dieses Mädchen mochte zwar erst fünfzehn Jahre alt sein, doch was die Höfe im Osten des Reiches anging, war es mit allen Wassern gewaschen. Es würde nicht mehr viel Zeit ins Land gehen, bis Inez sich einen der mächtigsten Männer als Gemahl angelte, daran zweifelte Martin nicht. Miranda war einfach nur eine schöne Hofdame, Inez hingegen zeigte eine gerissene Härte, die Martin nicht gerade attraktiv fand. Dieses Mädchen war auf jeden Fall gefährlich und hatte schon recht gut begriffen, wie man Männer um den Finger wickelte und ihnen seinen Willen aufzwang. Martin beschloß, diese Tatsache nicht aus den Augen zu verlieren.
    Das Essen war eher still verlaufen, wie es Martins Gewohnheit entsprach. Morgen würden allerdings Jongleure und Sänger anwesend sein, denn zur Zeit hielt sich gerade eine Schauspielertruppe in der Gegend auf. Martin hatte nach seiner Reise durch den Osten nur noch wenig für förmliche Bankette übrig, doch ein bißchen Unterhaltung fand auch er amüsant. Dann eilte ein Diener in den Saal, umrundete den Tisch und ging zu Samuel, dem Leibwächter. Er flüsterte ihm etwas ins Ohr, woraufhin der Leibwächter zu Martin kam. Er beugte sich vor und meinte: »Es sind Tauben von Ylith angekommen, Euer Hoheit. Insgesamt acht Stück.«
    Martin wußte Bescheid. Wenn es so viele Vögel waren, mußte die Nachricht von einiger Bedeutung sein. Normalerweise nahm man vielleicht zwei oder drei Tiere, da ein Vogel allein auf dem gefährlichen Flug über das Gebirge der Grauen Türme verlorengehen konnte. Sie mußten mit dem Wagen oder dem Schiff wieder zurückgebracht werden - und das dauerte Wochen -, deshalb setzte man sie gewöhnlich eher sparsam ein. Martin stand auf. »Wenn Euer Hoheit mich für einen Moment entschuldigen würden?« sagte er zum Herzog von Rodez. »Meine Damen?« Er verneigte sich vor den beiden Schwestern, dann folgte er dem Diener hinaus auf den Gang.
    Im Vorraum des Bergfrieds traf er seinen Falkner, der sowohl für die Falken als auch für die Tauben zuständig war. Er hielt die Pergamente in der Hand, übergab sie Martin und zog sich zurück. Martin bemerkte, daß die winzigen Röllchen mit dem fürstlichen Wappen von Krondor versiegelt waren. Nur der Herzog selbst sollte sie öffnen. Martin sagte: »Ich werde sie in meinem Ratszimmer lesen.«
    Als er die Röllchen dort genauer betrachtete, stellte er fest, daß jedes die Zahl Eins oder Zwei trug. Vier Paare. Die Nachricht war also viermal abgeschickt worden, damit sie ganz sicher vollständig ankam. Martin brach eines der Röllchen mit einer Eins auf, und als er die Nachricht las, wurden seine Augen größer, und er öffnete ein weiteres. Es war derselbe Text. Dann las er Nummer Zwei, und die Tränen traten ihm in die Augen.
    Martin öffnete jedes Röllchen, hoffte noch eine andere Nachricht zu finden, die das bisher Gelesene als Mißverständnis aufklärte. Lange Zeit konnte er einfach nur so dasitzen, während sich in seinem Magen ein mulmiges Gefühl ausbreitete. Schließlich klopfte es an der Tür, und Martin sagte schwach: »Ja bitte?«
    Die Tür ging auf, und Fannon trat ein. »Ihr seid schon vor über einer Stunde verschwunden -« Er stutzte, als er Martins abgespannten Gesichtsausdruck und seine geröteten Augen sah. »Was gibt es?«
    Martin deutete nur mit der Hand auf die Zettel. Fannon las sie, taumelte zurück und mußte sich setzen. Eine ganze Weile lang verbarg er das Gesicht in den zitternden Händen. Beide Männer schwiegen. Dann sagte Fannon: »Wie konnte das nur geschehen?«
    »Ich weiß es auch nicht. Die Botschaft sagt nur, es sei ein Meuchelmörder gewesen.« Martin ließ den Blick durch den Raum schweifen; jeder Stein in der Wand und jedes Möbelstück erinnerte ihn an seinen Vater, Lord Borric. Von der Familie war Arutha dem Vater am ähnlichsten gewesen. Martin liebte sie alle, doch der Bruder, den das Schicksal nach Krondor verschlagen hatte, war in vielerlei Hinsicht ein Spiegel seiner selbst gewesen. Sie hatten alle Dinge immer aus einer sehr ähnlichen Perspektive gesehen, und sie hatten eine Menge zusammen durchgemacht:

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